Die Landlosen kämpfen für eine radikale Landreform. Sebastião Salgado begleitet sie dabei. Foto: dpa/Sebastião Salgado

In der Esslinger Küferstraße zeigen 13 Geschäfte Bilder des bekannten Fotografen Sebastião Salgado, der am 20. Oktober mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird.

Esslingen - Sebastião Salgado ist einer der ganz großen zeitgenössischen Fotografen. Der Brasilianer dokumentiert das Leben der Menschen in seiner Heimat, die am Rande der Gesellschaft stehen. Das Porträt eines Mädchens, dem die Traurigkeit und die Hoffnungslosigkeit ins Gesicht geschrieben stehen. Ausgebeutete Tagelöhner, die in einem ungleichen Kampf mit Großgrundbesitzern stehen – die Bilder des 75-Jährigen sprechen Bände. Jetzt ist eine Auswahl von Fotos jenes Mannes, der am 20. Oktober mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird, in der Esslinger Küferstraße zu sehen.

13 Geschäftsleute üben den Schulterschluss

Die Ausstellung „Brasilien in der Küferstraße“ zeigt 28 Motive aus der insgesamt rund 40 Bilder umfassenden Reihe „Terra“. Diesen Bildband stellte Salgado der brasilianischen Landlosenbewegung (Movimento dos Sem Terra – MST) für ihre Arbeit zur Verfügung. Das verzweifelte Ringen von Landarbeitern, Pächtern und Kleinbauern in der von Latifundien dominierten brasilianischen Agrarwirtschaft hat sich seit dem Amtsantritt des Präsidenten Jair Bolsonaro zum Jahresbeginn noch verschärft.

Auf die Beine gestellt haben die Ausstellung die in der Küferstraße ansässige Buchhandlung Provinzbuch und der gewerkschaftsnahe Verein für Internationale Solidarität Grussi Esslingen in Kooperation mit den Freunden der Landlosenbewegung Deutschland (Amigos do MST). An der Fotoschau beteiligen sich 13 Geschäfte in der Küferstraße, unter anderem das Restaurant Carpe Diem, in dem die Ausstellung am Samstag, 19. Oktober, um 19 Uhr eröffnet wird. „Das ist super und einfach eine tolle Aktion für diese kleine Straße. So etwas hat es in Esslingen noch nicht gegeben“, freut sich die Provinzbuch-Inhaberin Ulrike Ehrmann über die starke Resonanz der Geschäftsleute.

Extreme Ungleichheit in Brasilien wird sichtbar

Sebastião Salgado erhält den Preis, weil er sich mit seinen Fotografien für soziale Gerechtigkeit und Frieden einsetzt, ebenso wie für den Natur- und Klimaschutz. Mit seinen Fotos „nimmt er die durch Kriege oder Klimakatastrophen entwurzelten Menschen genauso in den Fokus wie jene, die traditionell in ihrer natürlichen Umwelt verwurzelt sind“, heißt es in der Begründung der Jury.

Die Verteilung von Flächen in Brasilien ist seit langem eines der zentralen Themen des Landes. Die Massenbewegung MST geht auf Initiativen zurück, die sich in den 1970er-Jahren im Süden Brasiliens gebildet hatten. Durch die Technisierung und Mechanisierung in der Landwirtschaft sahen sich viele Arbeitskräfte plötzlich wegrationalisiert und vor dem Nichts stehend. Die Landlosen organisierten sich und setzen sich seither für eine radikale Landreform ein, um die extremen Unterschiede in der Besitzverteilung aufzubrechen. In Brasilien besitzen circa zehn Prozent der Bevölkerung 80 Prozent des Landes.

Zeichen gegen Gewalt und Einschüchterung am Amazonas

Es ist nicht das erste Mal, dass in Esslingen der Blick auf Missstände in Brasilien gelenkt wird. Vor vier Jahren verlieh die Stadt den Theodor-Haecker-Preis für politischen Mut und Aufrichtigkeit an Laísa Santos Sampaio. Die 56 Jahre alte Lehrerin und Umweltaktivistin setzt sich in Amazonien für die Erhaltung des Regenwaldes und für den Schutz der indigenen Bevölkerung und kleinbäuerlicher Produktionsgemeinschaften ein. In ihrem Kampf kommt sie regelmäßig den Interessen von Konzernen in die Quere, die für die Viehhaltung und den Anbau von Monokulturen Wälder roden lassen.

Mit der Preisverleihung setzte die Stadt Esslingen auch ein Signal gegen Gewalt und Einschüchterung. Laísa Santos Sampaios Schwester und Schwager sind von Auftragskillern ermordet worden.

Aufnahmen von Goldschürfern bringen den Durchbruch als Fotograf

Leben
Sebastião Salgado arbeitete nach einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium zunächst als Verwaltungsangestellter für die Internationale Kaffeeorganisation und machte sich 1973 als Fotojournalist selbstständig.

Werk
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde er durch seine Fotoreportage von 1986 über Goldschürfer in der Mine Serra Pelada ebenso wie durch seine preisgekrönten Fotos im April 1991 in Kuwait während des zweiten Golfkriegs. 2014 drehte Wim Wenders über Salgado den in Cannes ausgezeichneten Dokumentarfilm „Das Salz der Erde“.