Wer einen Facharzttermin will, braucht Geduld. Foto: Fotolia

Jeder vierte Patient wartet drei Wochen und länger, bis er einen Termin beim Facharzt bekommt. Woran liegt’s? Diskutieren Sie mit bei unserem Forum Gesundheit.

Stuttgart - Dieter K. (Name geändert) hat ein Herzproblem. Seine Pumpe schlägt von hier auf jetzt deutlich schneller als sonst, und zwar 130-mal in der Minute. Nach einiger Zeit geht der Puls wieder normal, doch irgendwann geht es wieder von vorn los. Vor ein paar Jahren war der passionierte Amateurradsportler deshalb schon einmal in Behandlung, mit Erfolg.

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Als das Symptom jetzt wieder auftaucht, meldet er sich gleich bei seinem Kardiologen und bittet um einen Termin. Kein Problem, sagt die Arzthelferin, am 9. März um 11 Uhr sei noch etwas frei. Bis dahin seien es immerhin noch drei Monate, gibt Dieter K. vorsichtig zu bedenken. Ob es nicht vielleicht ein wenig schneller gehe? Es täte ihr leid, sie könne da nichts machen, sagt die Helferin freundlich, aber bestimmt.

Auch wenn drei Monate Wartezeit extrem sind und sicher nicht die Regel – Dieter K. steht nicht allein. Seine Erfahrung teilen viele Menschen, die sich um einen Facharzttermin bemühen. Grund genug, dem Thema eine Veranstaltung aus der Stuttgarter Nachrichten-Reihe „Forum Gesundheit“ zu widmen. „Geduldsprobe Arzttermin“ lautet die Überschrift am 10. Dezember um 18.30 Uhr im Diakonie-Klinikum Stuttgart. Leserinnen und Leser sind herzlich eingeladen mitzudiskutieren (Details und Anmeldung siehe Info unten).

Wie groß ist das Problem mit den Wartezeiten wirklich? Nach einer Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) muss sich aktuell jeder vierte Patient durchschnittlich drei Wochen gedulden, bis er beim Spezialisten vorsprechen darf. Sogar in akuten Fällen müssen 52 Prozent länger als drei Tage warten. Die größten Probleme gibt es laut KBV bei Kardiologen, Gynäkologen und Hautärzten.

Gesetzlich Versicherte warten länger auf einen Termin beim Facharzt

Besonders pikant: Unter Patienten der gesetzlichen Krankenkassen müssen 13 Prozent länger als drei Wochen auf einen Termin beim Haus- oder Facharzt warten. Unter Patienten mit privater Versicherung sind es dagegen nur fünf Prozent.

Längst macht sich in der Kundschaft Unmut breit angesichts der Geduldsprobe beim Arzttermin. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker-Krankenkasse (TK) ist die Unzufriedenheit in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen mit 19 Prozent besonders groß. Bei den über 66-Jährigen ist sie eher gering (fünf Prozent).

Seit Jahren sind die Wartezeiten immer wieder mal ein öffentliches Streit- und Reizthema. Insbesondere auch für Politiker, die ihr Profil schärfen möchten. So sprach sich die langjährige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) seinerzeit für garantierte Facharzttermine binnen einer Woche aus. Daraus wurde nichts. Ihr Nach-Nachfolger Daniel Bahr (FDP) drohte Ärzten mit Strafzahlungen. Doch auch diesem Verbalvorstoß folgten keine Taten.

Nun unternimmt der amtierende Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) einen neuen Anlauf. Er will, dass jeder, der eine Überweisung vom Hausarzt hat und keinen Termin beim Facharzt bekommt, eine Servicestelle bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) anrufen kann. Diese muss einen Termin innerhalb der nächsten vier Wochen vorschlagen. Handelt es sich um einen Augen-, Frauen- oder Kinderarzt, ist die Vorgabe strenger. Dann gilt die Frist von einer Woche.

Das Recht, sich einen Mediziner auszusuchen, hat der Patient nicht. Die KV kann jeden Facharzt in zumutbarer Entfernung für den Patienten auswählen. Falls es der KV nicht gelingt, einen Termin zu machen, muss sie dem Patienten einen Termin in einer Klinikambulanz anbieten. Die Rechnung für die Behandlung dort muss dann die KV übernehmen – mit Geld aus dem Topf, aus dem die Kassenärzte vergütet werden.

Gröhes Vorhaben ist weit gediehen. Anfang Dezember wird das Bundeskabinett den entsprechenden Gesetzentwurf verabschieden. Wann das Gesetz in Kraft tritt, ist noch offen. Das Ministerium legt sich nicht fest. Nach Inkrafttreten sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen sechs Monate Zeit haben, die Servicestellen aufzubauen.

Es überrascht nicht, dass die Ärzte seit Monaten Sturm gegen die Pläne laufen. Wiederholt hat KBV-Chef Andreas Gassen, ein Orthopäde aus Düsseldorf, die Servicestellen vehement abgelehnt. Eine zentrale Terminvergabe hebe nicht nur die Freiheit des Arztes auf, seine Patientenströme selbst zu steuern, sondern widerspreche auch den Interessen der Patienten. Diese wollten nicht zu irgendeinem Arzt, sie wollten zu einem Arzt ihrer Wahl, so Gassen.

Er gibt den Patienten aber auch eine Mitschuld an den langen Wartezeiten. Zwei Drittel gingen ohne Überweisung zum Facharzt. Es sei fraglich, ob diese Besuche medizinisch immer erforderlich seien, sagt Gassen. Zudem hätten die Praxen damit zu kämpfen, dass viele Patienten vereinbarte Termine gar nicht wahrnähmen.

Unabhängige Experten wie der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Uni Duisburg-Essen zeigen sich skeptisch. Für die teils langen Wartezeiten gebe es verschiedene Ursachen, sagt er. Mit einer „Einheitslösung“ sei das Problem kaum in den Griff zu bekommen. „Eine Reihe von Kassen haben ja im Wettbewerb selber schon Terminservice-Hotlines eingerichtet. Ich finde solche dezentralen Aktivitäten besser“, urteilt Wasem. Auch deshalb, weil die Probleme in den Fachgebieten sehr unterschiedlich seien. Es gebe Fachgebiete, „da ist bereits jetzt absehbar, dass die Lösung von Herrn Gröhe ins Leere laufen wird“. So etwa in der Rheumatologie, da gebe es sowohl in der niedergelassenen Praxis als auch im Krankenhaus zu wenig Fachärzte.

Herzpatient Dieter K. hat übrigens dann doch noch einen schnelleren Termin beim Kardiologen bekommen, Anfang Dezember. Ein Anruf vom Hausarzt hat geholfen.

Die Reihe „Forum Gesundheit“ ist eine gemeinsame Veranstaltung der Stuttgarter Nachrichten und der Techniker-Krankenkasse. Wir laden Leserinnen und Leser ein, mit uns und kompetenten Gästen zu diskutieren.

Am Mittwoch, 10. Dezember, geht es um das Thema „Geduldsprobe Arzttermin“. Willi Reiners, stv. Ressortleiter Politik der Stuttgarter Nachrichten, befragt dazu Dr. Norbert Metke, den Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, und Jens Spahn, den gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

Die Veranstaltung findet im Diakonie-Klinikum Stuttgart, Rosenbergstraße 38, statt. Beginn ist um 18.30 Uhr, Ende gegen 20 Uhr.

Der Eintritt zum Forum Gesundheit ist frei. Wir bitten jedoch um eine vorherige Anmeldung, und zwar wie folgt: Per Telefon: Rufen Sie bitte unter der Nummer 0 13 79 / 88 40 16 (0,50 Euro bei Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk gegebenenfalls abweichend) an, und sprechen Sie Ihren vollständigen Namen und Ihre vollständige Adresse sowie die Zahl der gewünschten Karten auf Band. Oder füllen Sie unser Anmeldeformular aus.