„Leerstand zu Wohnraum“ fordern die Aktivisten. Seit Samstag besetzen sie das Haus im Stuttgarter Westen. Foto: Lg/Willikonsky

Die Eigentümer fordern die Aktivisten auf, die Forststraße 140 zu verlassen. Diese beginnen zu renovieren.

Stuttgart - Vor der Tür hängt das Programm für die nächsten Tage: Filmvorführungen, Mittagessen und Diskussionsabende sind in dem Haus Forststraße 140 im Stuttgarter Westen laut dem Plakat geplant. „Es soll ein Ort des Austausches und der Solidarität entstehen“, sagt der 28-jährige Paul von Pokrzywnicki. Am Wochenende stehe eine Renovierungsaktion an. Man wolle streichen, vielleicht Laminat verlegen. „Ansonsten ist es unmittelbar bezugsfertig“, glaubt der Sprecher des Aktionsbündnisses Recht auf Wohnen.

Das Problem ist: Das Haus, von dem er spricht, gehört ihm gar nicht. Er unterstützt eine Gruppe von Aktivisten, die das leerstehende Gebäude mit seinen etwa 20 Zimmern seit einigen Tagen besetzen. Er sei nur der Sprecher, behauptet er. Einige Besetzer hätten sich, wie er selbst auch, bereits vor einem Jahr an einer weiteren Hausbesetzung in Heslach beteiligt.

Zu den Aktivisten gehört auch Stephanie Schädel. Die 39-Jährige wohnt mit ihren vier Kindern bisher in Degerloch. Ende März müssen sie die Wohnung verlassen. Der Vermieter habe gegen sie geklagt. Dabei habe sie „nur einmal“ die Miete nicht rechtzeitig bezahlt, sagt Schädel. Bisher hat sie keine neue Wohnung gefunden. Sie habe Portale und Zeitungen durchforstet. „Aussichtslos“, sagt sie. Bei der Stadt habe ihr auch niemand helfen können. Die Liste derer, die dringend eine Wohnung suchen, ist lang. „Hier wäre Wohnraum für uns alle. Dann müssten wir nicht ins Sozialhotel“, sagt Schädel. Denn, wenn man einmal dort gelandet sei, komme man da nur schwer wieder raus, glaubt sie.

Die Satzung zur Zweckentfremdung soll langen Leerstand verhindern

Ist es ein legitimes Mittel, ein leerstehendes Haus zu besetzen? Die Aktivisten, die sich „Aktionsgruppe Leerstand zu Wohnraum“ nennen, sind überzeugt davon, dass dem so sei. Die Besetzer sind der Ansicht, die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf zu erfahren, was „mit dem seit Jahren leerstehenden Mehrfamilienhaus“ geplant ist, heißt es weiter in der Pressemitteilung. „Gerade in Zeiten der Wohnraumkrise ist Wohnungsbau keine Privatsache“, so die Auffassung der Aktivisten.

In Stuttgart gibt es seit 2016 eine Satzung, die Zweckentfremdung verbietet. Hintergrund ist der Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Das Zweckentfremdungsverbot sieht vor, dass Eigentümer mit einem Bußgeld bestraft werden können, wenn sie Wohnungen länger als ein halbes Jahr leer stehen lassen. Bei dem Gebäude an der Forststraße sind aber seit längerem Umbauarbeiten geplant, eine Baugenehmigung hat die Stadt bereits erteilt. Nach Bekanntwerden der Besetzung teilten die Eigentümer auch zügig mit, dass sie nun in Kürze dort mit den Bauarbeiten beginnen wollten. Voraussichtlich im April wolle man bereits mit den Bauarbeiten beginnen.

Die Eigentümer haben laut den Stuttgarter Nachrichten in einem Brief ein Ende der Besetzung gefordert. Das Gas haben sie bereits abstellen lassen, auch Strom und Wasser wollen wollen sie stillegen lassen.

Die Stadt wünscht eine friedliche Lösung

Die Wohnungsbaugesellschaft mit Sitz in Stuttgart hat das Gebäude im Sommer 2018 gekauft, mit der Absicht „bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“. Man wolle sogar die Wohnfläche von 400 auf 700 Quadratmeter erhöhen. Ihre Begründung für den längeren Leerstand: Man habe gewartet bis das letzte Mietverhältnis freiwillig beendet worden sei. Einige der Bewohner waren allerdings bereits schon unter den vorherigen Eigentümern ausgezogen, wie ein ehemaliger Mieter berichtet.

Die Stadt Stuttgart will nun zwischen den aktuellen Eigentümern und den Besetzern vermitteln: „Die Stadt hat großes Interesse an einer friedlichen Lösung. Wir suchen das Gespräch mit allen Beteiligten“, teilt das Referat von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer auf Nachfrage mit.

Den Besetzern reicht es aber nicht, dass dort überhaupt Wohnraum entsteht: „Wir fordern die Eigentümer auf, uns oder die direkt von Verdrängung Bedrohten zu kontaktieren zwecks eines Mietvertrages“. heißt es in dem Schreiben.