Der Brennermeister Otfried Jung in der Obstbrennerei: Hier stehen drei große Brenngeräte und warten auf Arbeit. Foto: Sophia Jedrzejczak

Der Stoff, der an Hochschulen vermittelt wird, ist nicht immer trocken. Ganz besonders trifft das auf die hochprozentigen Inhalte zu, die in der Forschungs- und Lehrbrennerei Hohenheim behandelt werden.

Hohenheim - Neben Otfried Jung steht eine Anlage, zwölf Meter ragt sie in die Höhe. Umgeben wird der Tank von einem Glaskasten. „Dieser ist nicht nur eine Zierde, sondern eine zweite Schutzschicht“, erklärt der Brennmeister in der Forschungs-und Lehrbrennerei Hohenheim. In dem Tank wird Rohsprit unter Verschluss gehalten. Rohsprit ist ein Produkt der ersten Verarbeitungsstufe, nämlich hochprozentiger, unbereinigter Alkohol. „Dieser hier hat 96 Prozent“, erklärt Jung.

Eigentlich ist das Brennen von Spirituosen in der Forschungs- und Lehrbrennerei Hohenheim gar nicht das Hauptthema. „Die meiste Zeit wird auf die Grundlagenforschung verwendet“, sagt Professor Ralf Kölling. Er ist der Leiter des Fachbereichs für Hefegenetik und Gärungstechnologie an der Uni Hohenheim. Dieser schließt die Brennerei ein. Die Destillate der Hochschule können sich dennoch sehen lassen. Immer wieder erhalten ihre Spirituosen Auszeichnungen. Im Eingangsbereich des Brennereigebäudes hängen 18 Urkunden. Vier stammen aus diesem Jahr – dreimal Gold und einmal Silber, so urteilte die Deutsche Lebensmittelgesellschaft. 560 Spirituosen wurden getestet auf Farbe, Reinheit, Geruch und Geschmack. „Wir machen auch mit, um zu zeigen, dass hier gute Arbeit geleistet wird“, sagt Kölling und schaut zu den Röhren, die sich an den Wänden entlangziehen.

Vom Früchtebrei zum Alkohol

Aber wie wird aus Früchten trinkbarer Alkohol? Unterschiede gibt es je nach gewünschtem Endprodukt. Das kann Bier, Wein oder auch Whisky sein. „In jedem Fall wird die Maische zunächst erhitzt“, erklärt Jung. „Diese ist nach drei Stunden fertig.“ Der Brennmeister zeigt auf einen großen Tank in mehreren Metern Höhe. Etwa 400 Kilogramm Maische – sprich Brei aus zerquetschten Früchten – fasst das Gerät. Anschließend werden Enzyme hinzugegeben; Enzyme sind natürliche Eiweiße. Diese helfen, den Gärvorgang zu beschleunigen und zu verbessern.

Nach zwei bis vier Tagen Ruhezeit trennt die Destillation die Hohenheimer Studenten noch von der fertigen Spirituose. Dabei werden die Stoffe von einander getrennt und der Alkohol konzentriert. Aber auch jetzt ist es verboten, den Schnaps zu trinken, erst folgt die Lagerung. „Unsere Whiskys lagern mit drei Jahren am längsten von all unseren Produkten“, erklärt der Brennmeister und läuft eine Rampe hinab. Sie führt in einen Keller, es wird merklich kühler. „17 bis 18 Grad ist die ideale Temperatur zur Reifung“, erklärt Jung. Rechts von ihm stehen große Eichenfässer. Ganz vorne liegt ein einzelnes Fass mit 50 Litern Fassungsvermögen, doch es scheint wie eine Miniaturausgabe neben all den anderen. „Wir verwenden Bourbon-Whiskyfässer aus Amerika mit etwa 220 Litern“, sagt Jung. Pro Fass liegen hier also 440 Flaschen Whisky. Im hauseigenen Laden stehen zu diesem Zeitpunkt nur zwei Flaschen im Regal. Alle anderen sind längst verkauft.

Faszination Hefe

Auch für fruchtige Gaumenfreuden ist gesorgt: Apfelbrand, Himbeer- und Zwetschgengeist sowie viele andere Flaschen laden zum Probieren ein. „Wir stellen keine großen Mengen her. Kommerziell aufzutreten, ist schließlich als Universität nicht unsere Aufgabe“, erklärt der Fachbereichsleiter Kölling. Das bedeutet: Wer etwas kaufen will, muss schnell sein.

Die Brennerei ist 175 Jahre alt und ein Ort der Superlative – mit ihren vielen Räumen, dem 8000-Liter-Wassertank und den großen Fässern. Trotzdem liegt das Hauptaugenmerk des Fachbereichs auf der Forschung. Ralf Kölling und seine Studenten beschäftigen sich zum Beispiel mit Fragen wie diesen: Wie kann die Destillationstechnik optimiert werden? Wie können biogene Amine ersetzt werden, die für Kopfschmerzen nach dem Trinken von Rotwein verantwortlich sind? Wie kann man Hefe so beeinflussen, dass man das gewünschte Aromaspektrum erhält? Kölling fasziniert beispielsweise, dass sich die Erkenntnisse bei der Forschung mit Hefezellen auf höhere Lebewesen übertragen lassen können. „Wenn wir ein Porsche wären, dann ist die Hefe ein Trabi“, sagt der Hohenheimer Wissenschaftler. „Wir haben dieselben Grundmechanismen.“