Das Nördliche Breitmaulnashorn Sudan Foto: EPA

Biologen wollen mit neuen Methoden eine fast ausgestorbene Unterart retten – eine Blaupause für die Zukunft?

Berlin - Es war ein trauriger Tag: Am 19. März 2018 wurde im Tierreservat Ol Pejeta in Kenia das letzte noch lebende männliche Nördliche Breitmaulnashorn der Welt eingeschläfert. Sudan, so sein Name, war durch mehrere Erkrankungen so geschwächt, dass es nicht mehr von alleine aufstehen konnte. Seine Tochter Najin und seine Enkelin Fatu, die beide streng bewacht im Ol Pejeta-Tierreservat leben, sind nun weltweit die beiden letzten Vertreter dieser Unterart. Eigene Nachkommen haben sie keine bekommen – und werden dies auf natürlichem Wege auch nicht mehr bewerkstelligen.

Aber vielleicht gibt es ja doch noch eine Möglichkeit, das Nördliche Breitmaulnashorn vor dem sicheren Ende zu bewahren. Die Experten vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin setzen dabei auf zwei verschiedene Wege: die künstliche Befruchtung sowie die Umwandlung von normalen Hautzellen in Eizellen und Spermien, die dann zu einer Befruchtung herangezogen werden können. Doch der Weg dorthin ist lang. Wie Steven Seet vom IZW berichtet, wollen die Forscher Anfang nächsten Jahres in einem ersten Schritt Eizellen von Najin und Fatu mit den eingefrorenen Spermien eines männlichen Nördlichen Breitmaulnashorns verschmelzen und so befruchtete reinrassige Embryos gewinnen. Die Hoffnung ist, möglichst viele solcher potenzieller Nachkommen zu erhalten. Diese sollen dann zunächst eingefroren werden. Die weiteren für eine erfolgreiche Erhaltung der Art notwendigen Schritte sollen zunächst in einer zweiten Stufe erprobt werden.

Die Spermien werden direkt in die Eizellen gespritzt

Dazu will man Hybridembryos aus den Eizellen eines weiblichen Südlichen Nashorns gewinnen, weil es von diese Unterart noch weitaus mehr Tiere gibt – der Bestand wird auf mehr als 20 000 Tiere geschätzt. Den männlichen Part bei der künstlichen Befruchtung können die in Samenbanken eingefrorenen Spermien von vier Nördlichen Breitmaulnashornbullen übernehmen. Um die Befruchtung so sicher wie möglich zu machen, werden die Spermien direkt in die Eizellen gespritzt.

Dass dies prinzipiell funktioniert, hat ein internationales Forscherteam unter der Beteiligung des IZW bereits bewiesen: Es hat die erste Generation von Prä-Implantationsembryos – sogenannte Blastozysten – im Reagenzglas erzeugt. Solche Hybridembryos müssen allerdings noch von Leihmüttern ausgetragen werden, die in europäischen Zoos sowie in afrikanischen Tierreservaten leben. Da es 16 bis 18 Monate dauert, bis nach der Befruchtung das junge Nashorn zur Welt kommt, wird diese Phase einige Zeit in Anspruch nehmen. Erst mit diesen Erfahrungen im Rücken wollen die Forscher dann die reinrassigen Embryos von Leihmüttern austragen lassen. Es wird spannend, ob dies alles dann auch so funktioniert, wie es sich die Berliner Experten vorstellen.

Die Forscher arbeiten auch mit der Stammzellentechnik

Sicherheitshalber arbeiten die Wissenschaftler aber auch noch an einem anderen Konzept: der Stammzelltechnik. Bei Mäusen ist es japanischen Forschern Jahren gelungen, Hautzellen so zu manipulieren, dass sie zu Eizellen wurden – und sich nach künstlicher Befruchtung offenkundig normale junge Mäuse daraus entwickelten. Auch Spermien lassen sich auf diesem Wege künstlich herstellen. So ist die Hoffnung berechtigt, dass das in nicht allzu ferner Zukunft auch beim Nördlichen Breitmaulnashorn gelingt – und damit dieser Weg als Blaupause für die Wiedererstehung anderer ausgestorbener Arten dienen kann, wenn es von ihnen ausreichend gut konservierte Zellen gibt.

„Allerdings sollten diese Techniken nur dann zum Einsatz kommen, wenn es keinen anderen Weg mehr gibt, das kulturelle Erbe der Artenvielfalt zu bewahren“, sagt Steven Seet. Er verweist dabei auch auf die hohen Kosten für solche Aktionen: Für die Versuche mit dem Nördlichen Breitmaulnashorn seien vier Millionen Euro erforderlich – wobei man dringend auf Spenden angewiesen sei.