Britische Forscher glauben, dass die Wikinger auf Island wegen eines Vulkanausbruchs zum Christentum konvertierten. Foto: dpa

Ein neue Studie englischer Forscher legt nahe: nach einer Eruption auf Island konvertierten die Nordmänner zum Christentum.

Cambridge/Oxford - Einem Team aus Naturwissenschaftlern und Mediävisten der Universitäten Cambridge, Oxford und Genf ist es erstmals gelungen, den gewaltigen Ausbruch des isländischen Vulkans Eldgjá im frühen Mittelalter genau zu datieren. Der Ausbruch soll demnach im Frühling 939 nach Christi begonnen und bis zum Herbst 940 gedauert haben. Eldgjá spie damals so gewaltige Mengen Lava aus, dass große Teile Islands verwüstet wurden. Der Lavastrom mit einem geschätzten Volumen von 20 Kubikkilometern hätte ausgereicht, um „ganz England bis zu den Knöcheln“ mit der heißen Glut zu füllen, schreiben die Wissenschaftler.

Bemerkenswert an der britischen Studie, die nun im Fachmagazin „Climatic Change“ erschienen ist, ist neben der Datierung des Ausbruches vor allem die Verbindung zu einer bahnbrechenden religiösen Wende auf der Vulkaninsel. Denn der Vulkanausbruch soll auch dazu geführt haben, dass die Bewohner Islands zum Christentum konvertierten.

Historische Quellen belegen, dass die Insel im Nordatlantik im neunten und frühen zehnten Jahrhundert nach Christi Geburt hauptsächlich von Wikingern aus Skandinavien besiedelt wurde. Die Siedler brachten dabei ihren Asa-Götterreigen mit. Der Vulkanausbruch, der schon bald nach ihrer Ankunft stattfand, muss den damaligen Menschen wie der Weltuntergang vorgekommen sein. „Einige der ersten Migranten, die als Kinder nach Island kamen, könnten Zeugen des Vulkanausbruchs gewesen sein“, vermutet Forschungsleiter Clive Oppenheimer von der Universität Cambridge.

Christliche Missionare nutzten die Katastrophe für ihre Zwecke

Die Wissenschaftler untersuchten dann die Konsequenzen. „Der Ausbruch muss verheerende Folgen für die junge Kolonie auf Island gehabt haben. Sehr wahrscheinlich musste Land verlassen werden, und umfangreiche Hungersnöte brachen aus“, so Koautor Andy Orchard von der Universität Oxford. Nach Angaben der Forscher sollen die ersten christlichen Missionare auf Island die Katastrophenstimmung ganz bewusst genutzt haben, um den Isländern den Wechsel zum trostspendenden Christentum schmackhaft zu machen – mit Erfolg.

Islands bekanntestes mittelalterliches Gedicht, das „Völuspá“, ist laut historischen Quellen erstmals im Jahr 961, also wenige Jahre nach dem Vulkanausbruch aufgetaucht. In dem auch als „Prophezeiung der Seherin“ bezeichneten Stück werden das Ende der heidnischen Götter und die Ankunft von nur einem einzigen Gott vorhergesagt. Mit anderen Worten: Es geht um die Christianisierung Islands. Untermalt wird das mit Beschreibungen einer apokalyptischen Welt, die der des Vulkanausbruchs verblüffend ähnelt. Dort steht etwa: „Die Sonne färbt sich schwarz, das Land sinkt ins Meer, die strahlenden Sterne fallen vom Himmel, Dampf steigt auf, Flammen züngeln gegen den Himmel selbst“. Das Gedicht erwartete auch kalte Sommer.

Die Wissenschaftler glauben, dass die „Völuspá“ nicht nur aus Fiktion bestand, sondern mit der Wiedererweckung schrecklicher Erinnerungen der Isländer an den Vulkanausbruch „den massiven religiösen und kulturellen Wandel“ hin zum Christentum „stimulieren“ wollte. Der Vulkanausbruch dürfte ganz Europa tangiert haben. Daher könnten auch andere Historiker dank seiner genauen Datierung frühmittelalterliche Ereignisse und Wendungen besser einordnen, hofft Oppenheimer.