Der neue Formel-E-Renner von Mercedes. Foto: StZ/StN

Zwei Hersteller aus Stuttgart steigen im November in die Formel E ein. Mercedes präsentierte sein Auto im konventionellen Stil in Frankfurt, Porsche enthüllte seinen Rennwagen dagegen virtuell.

Frankfurt/Main - Die bombastischen Musikakkorde werden lauter, steigern sich zu einem Trommelgewitter. Die Scheinwerfer flackern aufgeregt in grellem Weiß – dann ziehen Stoffel Vandoorne und Nyck de Vries das schwarze Tuch vom Fahrzeug. Da steht er, der erste vollelektrische Silberpfeil. Die TV-Kameras zeichnen den historischen Motorsport-Augenblick routiniert auf, die Blitzlichter der Fotoapparate zucken durch den Raum in Halle 1 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt. „Wenn ein Auto schnell ist“, bemerkt Toto Wolff, der Mercedes-Motorsportchef und damit Hausherr, „dann ist es auch schön.“

Eine halbe Stunde dauert sie, die Präsentation des ersten elektrischen Silberpfeils, mit dem Mercedes im November als Werkteam in die Formel E einsteigt. 30 Minuten Motorsport-Unterhaltung, in einer – so sagt man heute wohl – auf Industrial-Style getrimmten Location auf abgewetztem, schwarzem Industrieboden mit Chill-out-Lounges in den Ecken, wo gepolsterte Podeste, garniert mit weichen Kissen, zum Relaxen einladen. Eine bunte und laute Vorstellung der alten Motorsport-Schule zelebrierte Mercedes. In diesem Stil präsentierten die Formel-1-Rennställe in der Was-kostet-die-Welt-Ära ihre neuen Autos von Ende der 1990er Jahre an, bis schließlich etwa 2010 derlei Pomp zu teuer wurde und irgendwie nicht mehr in die Zeit passte.

So erzählt Toto Wolff vor dem verhüllten Auto, nachdem ein 90-Sekunden-Film über die mannigfaltigen PS-Aktivitäten von Mercedes den Startschuss gegeben hatte, dass Mercedes auf „eine neue Mission“ gehe, dass die Formel 1 die Premiumklasse des Rennsports sei, und die Formel E ein Start-up darstelle, in das Mercedes nun investiere. „Wir wollten nach der DTM etwas Neues machen“, betont der Motorsportchef.

Danach betritt Ian James die Szene, der als künftiger Formel-E-Teamchef darüber referiert, er sich „auf diese große Aufgabe“ freue, und dass er sich bewusst sei, dass er gute Ergebnisse abzuliefern habe. Schließlich erscheinen die beiden Werkspiloten Vandoorne und de Vries, deren Kommen zelebriert wird als käme Mike Tyson oder Wladimir Klitschko, wie der Einmarsch eines großen Box-Champions. Der Belgier Vandoorne und der Niederländer de Vries freuen sich vor den etwa 150 Reportern und Gästen gleichermaßen, dass sie nun „Mitglieder der Mercedes-Familie“ seien und dass sie kämpfen werden, um gute Ergebnisse gleich in der Debütsaison zu erzielen. Eine routinierte Show mit erwartetem Ende vor einem Fachpublikum auf der IAA.

Lesen Sie hier: Die Unterschiede zwischen einem Formel-1- und einem Formel-E-Wagen.

Porsche, der andere Hersteller aus Stuttgart, der am 22. November in Riad ebenfalls seine Formel-E-Premiere feiert, hatte vor knapp zwei Wochen sein neues E-Fahrzeug ebenfalls vorgestellt – allerdings mit einem völlig unkonventionellen Auftritt. Ganz im Stil der digitalen Welt. Auf der Internet-Plattform twitch mussten sich die Porsche-Freunde einlocken, dann konnten sie die Werkspiloten Neel Jani und Andre Lotterer per Computer in der Gemeinschaft fernsteuern, Aufgaben lösen lassen und sie so zu ihrem neuen Dienstwagen führen – der dann ebenfalls enthüllt wurde. Ein Computerspiel im weitesten Sinne. „Unsere Zielgruppe in der Formel E sind junge Männer zwischen 18 und 29 Jahren“, erklärte eine Porsche-Sprecherin damals, „und diese Zielgruppe sitzt eben häufig vor dem Rechner und zockt.“ Eine Million Menschen, so berichtete Porsche, seien bei der digitalen Enthüllung online gewesen. Ein bisschen Old-School durfte aber auch beim Sportwagen-Hersteller sein. Am Tag zuvor war der Formel-E-Rennwagen in (einer ebenfalls industrial-gestylten Halle) in Ludwigsburg in der altbekannten Prozedur unterm Tuch hervorgezaubert worden – die Zuschauer mussten sich aber schriftlich verpflichten, frühestens nach Ende der twitch-Spielaktion darüber in Wort und Bild zu berichten. Mercedes ist freilich auch digital präsent, die Enthüllung des E-Silberpfeiles wird auf verschiedenen Social-Media-Kanälen live übertragen, so dass das Fachpublikum nicht unter sich gewesen ist.

Neben Mercedes und Porsche mischen in Saison sechs der Formel E auch die deutschen Hersteller BMW und Audi mit. Die Rennwagen aus München und Ingolstadt sind selbstverständlich ebenfalls auf der IAA ins rechte Licht fürs Publikum gerückt. Wobei das Erscheinungsbild der Autos im Grunde wenig spannend ist – in der Formel E wird ein Einheitschassis verwendet, die Fahrzeuge unterscheiden sich also lediglich in Farbe und Sponsoren-Logos. Die Fans müssen warten bis November, ob nun Mercedes, Porsche, BMW oder Audi das schönste Auto hat. Oder besser: das schnellste.