In diesem Jahr tritt Sebastian Vettel noch im Rot der Scuderia Ferrari in Erscheinung – welche Farben er in der kommenden Saison trägt, steht noch nicht fest. Foto: AFP/JOE KLAMAR

Ferrari hat Sebastian Vettel für 2021 vor die Garage bugsiert, der 33 Jahre alte Formel-1-Altstar und Aston Martin flirten derzeit miteinander. Wir beleuchten das Pro und das Contra einer solchen Liaison.

Stuttgart - Ein Motorsport-Tinder gibt es nicht. Leider. Noch existiert keine Plattform, auf der sich Piloten und Rennställe finden und bei Gefallen in die entsprechende Richtung wischen können. Es muss anders gehen. Aktuell flirten Sebastian Vettel und Racing Point miteinander. Der viermalige Weltmeister mit Heppenheimer Wurzeln kann vor dem Großen Preis von Ungarn am Sonntag (15.10 Uhr/RTL) der Vorstellung durchaus etwas abgewinnen, nächstes Jahr als Werkpilot von Aston Martin (wir Racing Point übernehmen) ins Cockpit zu klettern. Und auch das Team, das von Milliardär Lawrence Stroll (Vermögen geschätzt: 2,3 Milliarden Euro) größtenteils finanziert wird, ist einer Verpflichtung nicht abgeneigt. Allerdings besitzen die Fahrer Sergio Perez und Lance Stroll noch für 2021 gültige Verträge. Einer müsste gehen, und da kommt eigentlich nur der Mexikaner infrage, weil Vater Stroll seinen Sohn kaum feuern würde. Wir versuchen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen und listen Pro und Contra einer Verpflichtung von Vettel auf.

Pro 1: Ein Sebastian Vettel schmückt jedes Team. Mit dem Ex-Weltmeister an Bord würde Aston Martin deutlich stärker in den Fokus der Formel-1-Berichterstattung geraten – vor allem in Deutschland, weil der 33-Jährige der einzige Pilot made in Germany in der Königsklasse sein würde. Aber auch die internationalen Medien würden ihre Blicke verstärkt auf Vettel und Aston Martin richten, was die Team-Sponsoren garantiert goutieren würden.

Pro 2: Zwar besitzt Sergio Peres (seit 2011 in der Formel 1) auch jede Menge Erfahrung, doch ein Sebastian Vettel hat auf seinem Weg in der Formel 1 so ziemlich alles erlebt, er kennt die Kniffe, ist bestens vernetzt. Er könnte für Aston Martin auf dem Weg, sich hinter den Topteams als ernsthafter Herausforderer zu etablieren, ein Trumpf sein.

Pro 3: Nun ist Lance Stroll mit seinen 64 GP-Starts auch kein Formel-1-Greenhorn mehr, aber der erst 21 Jahre alte Kanadier dürfte im Windschatten von Vettel profitieren und als Rennfahrer weiter reifen – das wäre freilich auch ganz im Sinne von Vater Stroll. Dass Stroll junior den Deutschen eher als Leitwolf akzeptiert als Perez liegt aufgrund der Vita von Vettel auf der Hand.

Pro 4: Aston Martin, respektive Lawrence Stroll, könnte die sicher nicht ganz bescheidenen Gehaltsvorstellungen des viermaligen Champions, der bei Ferrari rund 30 Millionen Euro pro Jahr kassieren soll, durchaus bedienen.

Contra 1: Das liebe Geld. 30 Millionen Euro pro Jahr? So gut wird der Vertrag von Vettel bei Aston Martin kaum dotiert sein, aber für ein Nasenwasser von einer Million Euro Gehalt wird der Hesse auch kaum an den Start gehen – im Spätherbst seiner Karriere hat er es nicht nötig, sich als billigen Jakob zu verramschen. Für Aston Martin wäre eine Verpflichtung teuer, auch weil Sergio Perez (der wohl gehen müsste) Geld von seinen persönlichen Sponsoren mitgebracht hat, das damit fehlen würde.

Contra 2: Vettel ist viermaliger Weltmeister, nach seinem Selbstverständnis will er um den Titel mitfahren, zumindest aber will er in der Lage sein, Rennen zu gewinnen. Mit Aston Martin dürfte das in der kommenden Saison ein Wunschtraum bleiben – Racing Point (mit Mercedes-Power) ist stark und könnte sich als erster Herausforderer von Mercedes, Red Bull (und Ferrari?) in Stellung bringen. Aber Siege? Die Frage bleibt: Möchte Vettel tatsächlich nach der Enttäuschung mit Ferrari in diesem Jahr weiter in bedeutungslosen Mittelfeld herumschwimmen? Da könnte sich der Familienmensch und dreifache Vater doch sicher Schöneres vorstellen...

Contra 3: Es könnte problematisch werden im Innenverhältnis, wenn ein Altmeister und ein Jungstar, dessen Vater der wichtigste Geldgeber ist, aufeinandertreffen. Falls die Beziehung zwischen Stroll junior und Vettel keine professionelle, keine gute wird, ist Ärger programmiert. Bei Auseinandersetzungen stünde stets der finanzkräftige Stroll senior im Hintergrund, und wir wissen alle: Wer zahlt, der bestimmt!

Contra 4: Sebastian Vettel wird sich auf neue Strukturen im Rennstall einlassen müssen, muss die Teammitglieder abchecken, die Entscheidungswege kennenlernen, die Besonderheiten ausloten. Da erfordert Energie und die Bereitschaft, auf Menschen zuzugehen. Die Frage lautet: Will sich das der 33-Jährige noch einmal zumuten? Denn sein eigenes Süppchen wird er bei Aston Martin wohl kaum kochen dürfen.