Trotz Maske ist deutlich zu erkennen: Lewis Hamilton verspürt nach Platz drei beim Großen Preius von Russland keine Freude – es liegt nicht an der Gestaltung des Pokals. Foto: AFP/BRYN LENNON

Mercedes ärgert sich über das Strafmaß für den Formel-1-Weltmeister beim Rennen in Sotschi – und es kommt aus dem Umfeld Kritik an Rennkommissar Mika Salo (110 Formel-1-Starts) auf.

Stuttgart - Alles in Butter in Brackley? Nicht unbedingt, auch wenn der bloße Blick auf die Ergebnislisten der Formel 1 etwas anderes suggeriert. Lewis Hamilton führt mit 205 Punkten die WM-Rechnung vor Teamkollege Valtteri Bottas (161) an, das Team grüßt in der Konstrukteurs-WM einsam (366) von der Spitze vor Red Bull (192) – obwohl also die nächsten Titel nur eine Frage der Zeit zu sein scheinen, knirscht es etwas im Haus des Weltmeisters.

Einigkeit herrscht bei den Männern mit dem Stern auf der Brust im Zwist mit den Rennkommissaren von Sotschi, die Hamilton zwei Fünf-Sekunden-Strafen verpassten, weil er an unerlaubter Stelle vor dem Rennen Startübungen vollführt hatte – dieses Strafmaß brachte den Briten um den recht wahrscheinlichen Grand-Prix-Sieg; selbst Ferrari-Mann Sebastian Vettel sah das Vergehen als „Kleinigkeit“ an. Hamilton witterte gar eine Verschwörung, um seinen siebten WM-Titel zumindest ein paar Wochen aufzuschieben und den Wettfahrten ein paar Krümel Spannung zu erhalten. „Für so etwas hat noch niemand eine Strafe bekommen. Es wirkt, als müssten wir gegen Widerstände kämpfen“, schimpfte der 35-Jährige, „sie wollen mich stoppen, oder etwa nicht?“

Die Teamleitung trägt die Hauptschuld

Eine Strafe in Sotschi für Startübungen am falschen Ort, eine Strafe in Monza wegen Einbiegens in die Boxengasse zur falschen Zeit. Keine Frage: Das Regelwerk belegt beides als Vergehen, lediglich die Höhe der Strafen ist diskutabel – und im Grunde war die Teamleitung der Schuldige. Sie lockte Hamilton in Italien verfrüht in die Boxengasse, und in Russland gestatteten die Mercedes-Bosse dem Weltmeister die Startübungen. Zwei Patzer innerhalb eines Monats, was Teamchef Toto Wolff veranlassen dürfte, seinen leitenden Angestellten das Regelwerk als Gute-Nacht-Lektüre verpflichtend zu machen. „Lewis hatte keinen Vorteil darin. Die Tatsache, dass wir im Rennen eine Strafe für etwas bekommen, das vorher passiert, fühlt sich unfair an“, bemängelte Wolff.

Dass Mika Salo als Rennkommissar seinen Teil zum umstrittenen Strafmaß beigetragen hat, ist eine pikante Begleiterscheinung. Denn der Finne war 2017 schon heftig in der Kritik, nachdem er eine umstrittene Strafe gegen Red-Bull-Fahrer Max Verstappen ausgesprochen hatte. Daneben hat sich der Ex-Pilot mehrfach als Sympathisant seines Landsmannes Bottas präsentiert und öffentlich über den Nummer-eins-Status von Hamilton bei Mercedes geklagt. Es ist ein Spagat, wenn einer als TV-Experte bezahlt wird und er als Nebenjob gelegentlich als Rennkommissar vergattert wird.

Hat Rennkommissar Mika Salo zu früh geplaudert?

Und noch etwas lässt die Personalie Salo anrüchig erscheinen. In der Szene wunderten sie sich darüber, dass das finnische Fernsehen gut zehn Minuten früher über das Strafmaß für Hamilton Bescheid wusste, obwohl der Automobilweltverband Fia noch nichts verkündet hatte. Mika Salo, der 110-malige Grand-Prix-Starter, ein Maulwurf? Der Verband hat noch keine Stellung zu den Vorwürfen bezogen, hinter vorgehaltener Hand waren in der Vergangenheit schon häufiger Verdächtigungen gegen den 53-Jährigen ausgesprochen worden.

Nun hat Hamilton auf dem Nürburgring am 11. Oktober die nächste Chance, den Rekord von Michael Schumacher von 91 Siegen einzustellen. Vielleicht sind bei Mercedes bis dahin die auslaufenden Verträge für Chefpilot Hamilton und Teamlenker Wolff erneuert. Diese Personalien liegen schon eine Weile brach, und manche vermuten ob der langen Wartezeit: Bei Mercedes könnte es ein wenig knirschen in Brackley.