Michael Schumacher testet seinen neuen Mercedes Foto: dpa

Ex-Formel-1-Pilot Alexander Wurz sieht Mercedes bei den Tests hinter Red Bull und McLaren auf Platz drei.

Barcelona - Norbert Haug ist ein vorsichtiger Mann; Prognosen kommen ihm so häufig über die Lippen, wie es in der Sahara regnet. Also bestenfalls alle paar Jahre. Auch beim Treffpunkt Foyer unserer Zeitung am Montag ließ sich der Mercedes-Motorsportchef lediglich entlocken, dass sein Team unter die Top Drei der Formel 1 vorstoßen will – was nicht wirklich überraschte, war dieses Ziel auch schon 2011 formuliert worden. Wie groß die Chancen dafür sind, dass der neue Silberpfeil namens W 03 schneller als der alte und damit konkurrenzfähig ist, diese Einschätzungen behielt Haug aber lieber für sich.

Die Rolle des Formel-1-Orakels übernahm ein anderer: Alexander Wurz, der von 2001 bis 2005 bei McLaren-Mercedes als Testpilot gearbeitet hatte. „Red Bull ist wieder vorn, aber nicht so klar. Dann kommt McLaren“, prophezeit der Österreicher, „und dann Mercedes. Das Team hat einen Schritt nach vorn gemacht.“ Wurz orientierte sich dabei nicht an den Testtableaus, die ja ohnehin kein Indiz für die wahren Kräfteverhältnisse liefern – zu unterschiedlich sind die Spritladungen, die Reifen und spezifischen Testprogramme der Rennställe. Testzeiten sind nicht mehr als Schall und Rauch im Teamvergleich. Der 38-Jährige beobachtete das Fahrverhalten der Boliden, um sich ein Urteil zu bilden. „Ferrari befindet sich noch hinter Mercedes“, vermutet Wurz. Haug dürfte sich über diese Fremdeinschätzung sicher nicht ärgern.

Kaffeesatzleserei? Könnte Wurz genauso gut die Reihenfolge auswürfeln? Schwer zu sagen. Fakt ist aber, dass Mercedes einige Probleme gelöst hat, die das 2011er-Auto noch einbremsten. Mercedes befindet sich anscheinend auf der Vorfahrtstraße. Vor allem bei den Reifen ist den Ingenieuren um Teamchef Ross Brawn ein Lichtaufgegangen, wie sie die gummifressende Hinterachse satt bekommen. Zum einen wurde der Radstand verlängert, zum anderen hat das Auto kräftig abgespeckt. So steht nun mehr variabler Gewichtsballast zur Verfügung, um die Hinterachse zu entlasten. „Das ständige Nachbessern hat uns 2011 viel Zeit gestohlen. Es blieb weniger Zeit übrig, um am Auto selbst zu arbeiten“, erklärte Brawn, „jetzt sind wir auf einem Stand, wo wir uns voll darauf konzentrieren können, das Maximum aus dem Auto rauszuholen.“

Spekulationen über Luftschlitz

Womöglich hat Mercedes noch ein paar Tricks im Zauberkasten. In der Boxengasse wird eifrig spekuliert, was der Luftschlitz in der Mercedes-Nase bringt. Ob dadurch zusätzliche Luft an die Unterseite des Fahrzeugs gelenkt wird, um Anpressdruck zu schaffen oder um die Höchstgeschwindigkeit um bis zu 8 km/h zu steigern – Mercedes schweigt, die Testergebnisse belegen diese Vermutungen (noch) nicht. Auch das Hinterteil des Silberpfeils wurde bei den Tests vergangene Woche verhüllt – dabei gilt das Heck als Experimentierfeld Nummer eins für die Aerodynamiker, um Kompensationslösungen für den verbotenen angeblasenen Diffusor zu finden. „Wir haben einige Überlegungen ins Auto einfließen lassen, die man nicht auf den ersten Blick sieht“, verrät Haug, „wir hoffen, dass sich die Detailpflege auszahlt.“ Dann ist wieder Ende der Sprechstunde. Es darf weiter spekuliert werden.

Mercedes hat offenbar aufgeholt. Alle im Team hoffen, dass dieser Anschein nicht trügen möge. Denn die Erinnerungen an 2011 schmerzen noch immer – damals reiste Mercedes mit der Barcelona-Bestzeit nach Melbourne, um in Australien festzustellen, dass das Auto nicht mit der Spitze mithalten kann.Und deshalb ist leicht nachvollziehbar, warum Haug das Abgeben einer Prognose so schätzt wie einen Motorplatzer in der letzten Runde.