Bald ist der Anzug komplett rot: Charles Leclerc. Foto: AP

Der Monegasse Charles Leclerc ist von 2019 an der neue Ferrari-Partner von Sebastian Vettel. Für Kimi Räikkönen ist kein Platz mehr. Er wechslt zu Sauber.

Stuttgart - Den Zahn werden sie Charles Leclerc bei Ferrari schon noch ziehen: Kurz vor dem Qualifying in Hockenheim ließ er mit ein paar Teammitgliedern sauber den Ball laufen. Zweifelsfrei war die Begabung des jungen Rennfahrers sichtbar, der den Fußball lässig hochhielt und mit der Hacke im Ronaldo-Stil weiterleitete zum nächsten Mann. Beim Schweizer Rennstall Sauber sind derlei Freiheiten noch drin gewesen. Als Ferrari-Angestellter ist die Gefahr einer Zerrung aber wohl zu hoch. Für eine Freizeitgestaltung dieser Art dürfte es künftig die Rote Karte geben.

Charles Leclerc steigt in der Saison 2019 so auf, wie es sich alle anderen Formel-1-Jungspunde um ihn herum nicht einmal zu träumen wagten. Der Monegasse verlässt das Mitläufertum Schweizer Formel-1-Kunst und wird Nachfolger von Kimi Räikkönen bei Ferrari. Sein Partner dort ist der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel. Dann ist Schluss mit lustig. Die spielerischen Elemente einer Ausbildung weichen also zwangsläufig einem Staatsauftrag. „Ich werde härter als jemals zuvor arbeiten, um euch nicht zu enttäuschen“, twitterte Leclerc nach Verkündung seines Wechsels – wohl wissend, was jetzt auf ihn zukommt.

Italienisches Kultutgut

Ferrari ist italienisches Kulturgut, zum Siegen verdammt, das Wohl und Wehe einer Nation hängt auch von den Ergebnissen der roten Marke ab. Überdies ist Vettel nicht eben ein lockerer Nebenmann für Leclerc, sondern die Inkarnation dessen, was man mit deutschem Arbeitsethos und beinahe grenzwertigem Ehrgeiz verbindet. Wie angespannt und humorlos es bei der Scuderia zugeht, die 2007 in Räikkönen letztmals einen Formel-1-Weltmeister stellte, zeigt, dass die roten Kommunikationsstrategen sogar ihrem Heppenheimer Paradefahrer stets einimpfen, was er wo und wann zu sagen hat. Am besten hält man den Fahrer unter Verschluss.

Leclerc ist derweil ein smarter aufgeweckter Bursche, Typ Traumschwiegersohn, ausgestattet mit exzellenten Manieren und zarte 20 Jahre jung. Hoch gehandelt als Weltmeister von morgen, steht er mit dem niederländischen Harakiri-Piloten Max Verstappen für die Zukunft. Mal weit nach vorne geschaut, könnte die Formel 1 irgendwann also ein Duell zwischen Gut und Böse bereichern.

Gnadenbrot bei Sauber

Der Finne Räikkönen steht indes für die Vergangenheit. Der letzte coole Hund der Szene verdient sich aber noch ein paar Penunzen dazu, indem er 2019 den Platz von Leclerc bei Sauber einnimmt. Dort begann die Karriere von Räikkönen 2001. Und dort bekommt der 38-Jährige jetzt sein Gnadenbrot. „Kimi wird als Ferrari-Weltmeister immer einen Platz in der Geschichte dieses Rennstalls haben“, lautet die geschliffen formulierte Verabschiedung der Scuderia – genau genommen ist es aber der zweite Rauswurf des Finnen.

Sie schickten ihn schon weg, als sie sich 2010 von Fernando Alonso mehr versprachen, und das zuletzt quälende und würdelose Theater um eine mögliche Vertragsverlängerung Räikkönens quittierte der Rennfahrer mit der Pole-Position beim Italien-Grand-Prix. Sie war der Anfang von Vettels Untergang im Autodromo Nazionale di Monza. Räikkönen schickt sich an, zum Abschied die WM-Träume zu zerstören. Vettels jahrelanger Lieblingspartner mutiert auf der Zielgeraden seines Ferrari-Vertrags zum Spielverderber.

So stark wie früher Alonso

Die Zukunft, sie heißt Leclerc. „Wunderkind“ titeln die Internetportale hektisch, wenn er aufhorchen lässt. So auch als er in Le Castellet das schwachbrüstige Sauber-Auto auf den unglaublichen achten Startplatz stellte. Leclerc erinnert Experten an den jungen Spanier Fernando Alonso. Der zauberte im Hinterbänkler-Minardi ebenso immer wieder Wunderrunden auf den Asphalt, da war den Leuten klar: Der wird mal Weltmeister! Wurde er auch. 2005 und 2006 war das. Nun soll auch aus dem Pflänzchen Leclerc ein Baum werden.

Der Dunkelhaarige wird seit 2016 in der Ferrari Driver Academy gefördert. Er gewann 2016 die GP-3-Serie, ein Jahr später die Formel 2 – in seinem ersten Formel-1-Jahr 2018 sammelte er immerhin 13 Punkte. 2017 musste er allerdings einen Schicksalsschlag verkraften. Sein Vater und Förderer Hervé Leclerc starb unerwartet im Alter von 54 Jahren. „Papa schaut vom Himmel aus zu und lächelt“, sagt Charles Leclerc über seinen Vater, den der Ferrari-Vertrag seines Sohnes mächtig stolz gemacht hätte.