In Budapest ohne Chance: der Ferrari von Sebastian Vettel Foto: AP/Mark Thompson

Nach dem erneuten Desaster stellen die italienischen Medien Ferrari ein vernichtendes Zeugnis aus. Der Stuhl des Teamchefs Binotto wackelt – und Vettel hat wenig Hoffnung auf bessere Zeiten.

Stuttgart - Im Hinblick auf die Traditionsmarke Ferrari sind die italienischen Medien mit ihrer Geduld am Ende. „Wieder eine Demütigung für Ferrari, bald werden in Maranello Köpfe rollen“, schreibt die „Gazzetta dello Sport“ – überdies sei die Scuderia noch tiefer als vor einem Jahr gestürzt, als das Team eine Minute hinter Lewis Hamilton lag. „Ferrari steigt in die Serie B der Formel 1 ab“, urteilte indes „Tuttosport“, während die Zeitung „Corriere della Serra“ zu dem vernichtenden Fazit gelangte: „Das Team hat ein katastrophales Auto entworfen.“

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Charles Leclerc wurde Elfter, Sebastian Vettel Sechster – dem peinlichen Ergebnis setzte noch der Umstand die Krone auf, dass Budapest-Sieger Lewis Hamilton mit seinem Mercedes die roten Autos überrundete – das ist die Höchststrafe im Motorsport. Dieser Grand Prix machte auch den ohnehin schon angeschlagenen Ferrari-Teamchef Mattia Binotto fassungslos. Sein Ton wurde so rau, wie noch nie in seiner Amtszeit. Als habe er inzwischen wirklich nichts mehr zu verlieren, tauschte der Italiener verbal das Florett gegen den Säbel aus. „Jeder wird seine Arbeit analysieren und den Mut haben müssen, den Kurs zu wechseln, wenn das notwendig ist, denn die aktuelle Dynamik ist nicht akzeptabel“, polterte der 50-Jährige. Es gebe nun keine andere Lösung, um die Situation in den Griff zu kriegen. Denn das extrem enttäuschende Ergebnis vom Sonntag sei „schwer zu schlucken“.

Mehr ist zurzeit nicht möglich

Wenn sich wirklich jeder bei Ferrari hinterfragt, steht am Ende vielleicht nur noch die halbe Mannschaft da. Da man auch im Fußball nicht die komplette Truppe austauschen kann, stehen im Krisenfall auch in der Formel 1 die Führungspersonen zur Disposition. Das neuerliche Desaster, Binotto spürt es, lässt vor allem den eigenen Stuhl mehr wackeln als jeden anderen. Ob der ehemalige Ingenieur noch der richtige Mann ist, um das Ruder herumzureißen, scheint fraglich. Unrühmlich war bereits vor der Corona-Saison seine undiplomatische Art, mit Sebastian Vettel im Hinblick auf eine mögliche Vertragsverlängerung umzugehen. Da zog der Rennfahrer lieber selbst den Schlussstrich. Solch einen unehrlichen und auch feige anmutenden Umgang hat keiner verdient – schon gar nicht ein vierfacher Weltmeister.

Der rote Stern, er geht unter im Stiefelstaat. In fast zwei Wochen wird in Silverstone weitergefahren, bis dahin wollen sie sich in Maranello auf Fehlersuche begeben. Das ist wenig Zeit, um einen eklatanten Rückstand aufzuholen. Sebastian Vettel macht in seiner kurz gefassten Budapest-Analyse auch wenig Mut auf eine rasche Besserung. „Ich hätte gehofft, dass ein bisschen mehr drin ist“, sagte er, aber: „Ich glaube, im Moment ist es das, was für uns möglich ist.“

Fällt Vettel der Abschied leichter?

Wenn es das ist, was der Ferrari kann – dann aber willkommen im belanglosen Mittelfeld. Möglicherweise ist Vettel gar nicht so unfroh über die Entwicklung, die ihm den Abschied aus Maranello erleichtern wird. Anfangs musste er die Scuderia verlassen, doch wenn die peinlichen Auftritte ihre Fortsetzung finden, dann darf er sie verlassen – das ist der kleine, aber feine Unterschied.

In den Fokus rückt derweil immer mehr Binotto – die Frage ist, ob er in seinem Amt die Saison noch übersteht. Nun zeigt sich auch, dass an dem vom Weltverband Fia unter den Tisch gekehrten Vorwurf, die Italiener wären 2019 mit einem manipulierten Motor unterwegs gewesen, durchaus etwas dran sein könnte. Auf einmal läuft das Auto nicht mehr. „Uns war schon vor dem Rennen klar, dass wir überrundet werden“, sagte Sebastian Vettel und gab einen interessanten Einblick in die Formel-1-Mathematik. Rot befindet sich demnach im roten Bereich.