Die ärztliche Versorgung in Deutschland ist gut, könnte laut dem Krankenkassenverband GKV mit erweiterten Sprechstundenzeiten aber noch patientenfreundlicher werden. Foto: dpa

Ärzte sehen die Forderung des Krankenkassenverbands, mehr Sprechzeiten abends und samstags anzubieten, kritisch. Um die Notaufnahme in der Filderklinik zu entlasten, sind laut dessen Leiter andere Maßnahmen gefordert.

Filder - Dr. Domenika Arnold hat am Telefon nicht viel Zeit. Sie muss zurück zu ihren wartenden Patienten. Kurz antwortet sie dann aber doch auf die Frage, was sie von der Idee hält, dass Ärzte ihre Praxen künftig verstärkt auch in den Abendstunden und an Samstagen öffnen sollen. „Wir sind sowieso über die geforderte Stundenanzahl präsent“, sagt die Allgemeinmedizinerin aus Plattenhardt. „Es liegt in unserer Verantwortung, die Patienten gut zu versorgen. Das muss uns niemand von außen diktieren.“ Verlängerte Sprechzeiten würden den Markt nicht regulieren. Es könne nicht sein, dass Ärzte permanent verfügbar sein sollen. „Das ist auch gesellschaftlich nicht gewollt“, ist sich Domenika Arnold sicher.

Die Zahnärztin Dr. Monika Altenburger aus Plattenhardt sieht die Forderung weniger kritisch. Sie findet es gut, dass das Thema angesprochen wird. Sie selbst hat ohnehin ihre Praxis montags und donnerstags bis 20 Uhr geöffnet. Unter Zahnärzten seien längere Öffnungszeiten üblich. „Das wird von den Patienten sehr gut genutzt. Wir wollen das als Service anbieten“, sagt sie. Dass sie selbst dann erst spät Feierabend habe, sei eben so.

Krank werden nach Vorschrift

Doch worum geht es genau? Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) hat die Forderung aufs Tableau gebracht. Er möchte, dass mehr Ärzte in den Abendstunden und an Samstagen Sprechstunden anbieten. Anlass zu der Forderung gab eine vom GKV in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage unter 1400 niedergelassenen Medizinern vom Sommer 2018, aus der hervorgeht, dass mittwochs- und freitagnachmittags der Großteil der Praxen geschlossen ist, ebenso am Abend und am Wochenende. „Kein Wunder, dass immer mehr Menschen in die Notaufnahmen der Krankenhäuser gehen. Denn Krankheiten richten sich nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte“, sagt Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, in einer Pressemitteilung.

Der Leiter der zentralen Notaufnahme der Filderklinik, Dr. Markus Ebel, hält den Vorschlag des GKV-Spitzenverbands grundsätzlich für nicht schlecht, die Notaufnahme könnte dadurch etwas entlastet werden. Allerdings geht ihm der Vorschlag nicht weit genug. Denn wenn ein niedergelassener Arzt beispielsweise an einem Dienstag eine lange Sprechstunde anbiete, helfe das nicht jenem Patienten, der am Mittwochabend krank wird. Für unwahrscheinlich hält Ebel, dass der Patient dann herumtelefoniert, um herauszufinden, welche andere Praxis im Umkreis offen hat. „Ich hielte es für sinnvoller, wenn man in den Abendstunden am Krankenhaus eine hausärztliche Notfallpraxis als zentrale Anlaufstelle hätte“, sagt Ebel. An Wochenenden und Feiertagen funktioniere dieses Prinzip ja bereits gut. Niedergelassene Ärzte sind dann in Räumen der Filderklinik verfügbar; unter der allgemeinen Rufnummer 116 117 werden Patienten dorthin verwiesen. Ebel hat zusammen mit Kollegen schon vor einem Jahr versucht, diesen Vorschlag umzusetzen. Allerdings habe die Kassenärztliche Vereinigung (KV) dies abgelehnt.

Überlastete Notfallaufnahmen

Vom allgemein bekannten Problem, dass Notaufnahmen in Krankenhäusern mit sogenannten Bagatellerkrankungen überlastet sind, ist laut Ebel auch die Filderklinik betroffen. Er schätzt, dass im vergangenen Monat von allen Patienten, die ohne Einweisung eines niedergelassenen Arztes in die Notaufnahme der Filderklinik gekommen sind, etwa 40 Prozent eigentlich beim Hausarzt richtig aufgehoben gewesen wären. Denn die Notaufnahme ist für Notfälle da – also für Erkrankte, deren Leben akut gefährdet ist und die einen Krankenhausaufenthalt nötig haben. „Wenn jemand eine heftige Angina oder hohes Fieber hat, dann ist das natürlich sehr unangenehm, er muss aber nicht ins Krankenhaus“, sagt Ebel.

Der Notfalldienstbeauftragte Dr. Thomas Huber aus Echterdingen hält den Vorschlag des GKV für „absoluten Quatsch“. Schließlich hätten die Krankenkassen 2002 selbst abgeschafft, dass jede Nacht ein Arzt zum Notdienst eingeteilt war. „Das war den Kassen zu teuer.“ Das System der Notfallpraxen würde gut funktionieren.

Ob sich die Forderung des Krankenkassenverbands nach späteren Sprechstunden verwirklichen lässt, ist fraglich. „Der Gesetzgeber müsste Vorgaben machen. Rein auf dem Verhandlungsweg ist es eher unrealistisch“, sagt eine Sprecherin des GKV. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn arbeite derzeit an einem Gesetz, wonach die Mindestsprechstundenzahl von Kassenärzten von 20 auf 25 Wochenstunden erhöht werden soll. „Die Frage ist, wie diese Stunden dann verteilt werden.“