Susanne Malcher, Annette Jickeli und Nancy Marek (v.l.) Foto: Holowiecki

In Stuttgart-Sillenbuch kooperieren Lebensmittelhändler und Lebensmittelretter, damit aussortierte Waren nicht im Müll landen. Koordiniert wird das Foodsharing von Riedenberg aus. Die Aktivitäten sollen verstärkt werden.

Sillenbuch - Der Tee, den Annette Jickeli serviert, schmeckt köstlich. Die Riedenbergerin hat Ingwer und Zitronenmelisse aufgebrüht, der Duft steigt wohltuend in die Nase. Kaum zu glauben, dass die Zutaten ursprünglich für den Müll bestimmt waren. Die 54-Jährige ist eine Lebensmittelretterin und hat sich der Gruppierung Foodsharing angeschlossen.

Das Prinzip ist simpel. Freiwillige holen Essen bei Supermärkten oder Erzeugern ab, das die nicht mehr verkaufen können, obwohl es noch problemlos genießbar ist. Es geht um Dosen mit Beulen, Bananen mit braunen Flecken, Schachteln, in denen ein Ei von sechs den Transport nicht überlebt hat, Netze, in denen eine Mandarine schimmelt, oder Schokohasen, die nach Ostern keiner mehr mag. Laut einer Studie der Umweltorganisation WWF landen 313 Kilogramm an Genießbarem in deutschen Mülleimern – pro Sekunde. „Mir ist das zuwider, alles im Überfluss“, sagt Nancy Marek. Auch sie hat sich Foodsharing angeschlossen, um gegen den Wegwerfwahn zu kämpfen. „Ich bin in der DDR auf einem Bauernhof aufgewachsen, da gab es so was nicht. Wir haben Eier gegen Fleisch getauscht, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, sagt sie. Ihr sei es wichtig, ihren beiden Kindern den Wert von Lebensmitteln nahezubringen, „es ist meine Aufgabe als Elternteil“.

Bisher kooperieren sie mit drei Geschäften

Um noch mehr Leute zu sensibilisieren, haben sie, Annette Jickeli, Susanne Malcher – alle aus Riedenberg – und andere Lebensmittelretter aus dem Bezirk sich zum Ziel gesetzt, die gemeinsamen Aktivitäten zu verstärken. Bisher kooperieren die Freiwilligen mit drei Geschäften: mit dem Edeka-Markt und dem Bioladen Naturgut, beide an der Kirchheimer Straße in Sillenbuch, und dem Cap-Markt in Riedenberg. Täglich holen Teams dort Waren ab. Annette Jickeli koordiniert als sogenannte Foodsharing-Botschafterin die Einsätze. Was mitgenommen wird, wird selbst verzehrt, untereinander verteilt oder in Flüchtlingsheime gebracht. Susanne Malcher (38) etwa lässt die Nachbarn im Mehrfamilienhaus teilhaben. „Man wird erfinderisch“, sagt Annette Jickeli, die sich seit etwa drei Jahren in Sachen Foodsharing engagiert. Schlapper Salat beispielsweise wird im Wasserbad wieder aufgepeppt, anderes wird eingefroren, und gekocht wird, was eben gerade da ist.

1000 Foodsharer in Stuttgart aktiv

In Stuttgart sind schon rund 1000 Foodsaveraktiv. In Sillenbuch sollen es mehr werden, auch, um Abholungen besser bewältigen zu können. Wichtig ist, dass die Mitstreiter aus dem Ort kommen, „das ist ein Umweltschutzprojekt, es ist nicht dienlich, wenn große Strecken mit dem Auto zurückgelegt werden“, sagt Susanne Malcher. Zudem sollen weitere Händler und Erzeuger zum Mitmachen bewegt werden, damit noch mehr Genießbares statt in der Tonne im Topf landet. Grundsätzlich möchte die Gruppe Lebensmittel auch Bedürftigen zugänglich machen, außerdem gemeinnützigen Projekten.

Ein neue Kooperation geht jetzt in die Testphase: Das Foodsharing-Team wird Obst und Gemüse den Kinder- und Jugendtreffs Café Alberta in Riedenberg und Wilde 13 in Heumaden zukommen lassen. Zudem wünschen sich die Lebensmittelretter für den Bezirk einen sogenannten Fair-Teiler, eine öffentlich zugängliche Stelle wie einen Schuppen, wo Dinge abgelegt und entnommen werden können. Der nächste ist in Degerloch an der Löwenstraße 54, dort gibt es wie an der Kirchnerstraße 5 in Hohenheim sogar einen Kühlschrank.

Weitere Infos und mitmachen:

Wer sich am Foodsharing in Sillenbuch beteiligen möchte – als Händler, Produzent oder Retter –, kann sich bei Annette Jickeli melden, ebenso jene, die ein gemeinnütziges Projekt im Blick haben, das profitieren könnte. Telefon 0711/4 79 75 12 (ab 23. März), Mail an annette.jickeli@gmail.com. Geplant ist ein Infoabend. Der Termin wird bekannt gegeben.d