Dietrich Birk fordert mehr Tempo bei der Genehmigung von Exporten Foto: Leif Piechowski

Seit 12. September gelten verschärfte Sanktionen gegen Russland. Nun brauchen viele Firmen Sondergenehmigungen, obwohl sie eigentlich gar nicht von dem Embargo betroffen sind. Dietrich Birk, Geschäftsführer des Südwest-Maschinenverbands VDMA, über die Folgen der Russland-Sanktionen.

Herr Birk, die EU hat angekündigt, dass sie derzeit keinen Spielraum für Lockerungen bei Sanktionen sieht. Wie sehr trifft das den baden-württembergischen Maschinenbau?
Dem baden-württembergischen Maschinenbau machen die Sanktionen und die schwierige wirtschaftliche Lage in Russland derzeit zu schaffen. In den ersten sechs Monaten 2014 verzeichnen wir bei den Maschinenexporten nach Russland einen Rückgang von 22 Prozent. Das heißt: In der ersten Jahreshälfte 2013 lag das Exportvolumen bei 837 Millionen, im ersten Halbjahr 2014 ist der Umsatz dagegen auf 651 Millionen Euro gesunken. Deutschlandweit ist das Russlandgeschäft im Maschinenbau um circa 800 Millionen zurückgegangen.
Was sind die Hauptgründe?
Es gibt mehrere Ursachen. Einerseits hat sich die Konjunktur in Russland bereits im vergangenen Jahr stark eingetrübt. Das liegt unter anderem am Abzug von ausländischem Kapital und an der Abwertung des Rubels. Diese Entwicklung hat sich im ersten Halbjahr 2014 verschärft, die Investitionsnachfrage aus Russland hat deutlich nachgelassen. Dazu kommen jetzt auch noch die verschärften Exportbeschränkungen, die seit 12. September gelten. Derzeit bereitet die Auslegung und Administration der beschlossenen Sanktionen unseren Maschinenbauunternehmen im Land Probleme.
Inwiefern?
Das Ausfuhrverbot betrifft beispielsweise Spezialtechnik für die Ölförderung. Das hat für Firmen wie Stihl die absurde Folge, dass Ölpumpen für Kettensägenblätter eine Genehmigung benötigen, obwohl diese Pumpen definitiv nicht zur Förderung von Erdöl geeignet sind. Auch Maschinen für Erdbauarbeiten, wie sie zur Errichtung von Zäunen gebraucht werden, gelten nun plötzlich als Bergbaumaschinen. Es gibt Maschinenbauunternehmen, die bei der Ausfuhrgenehmigung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) Schwierigkeiten haben, obwohl ihre Produkte gar nicht von dem Embargo betroffen sind.
Wie groß ist der Stau, der durch die Genehmigungen beim Bafa entstanden ist?
Wir stellen einen erheblichen Rückstau bei den Ausfuhranträgen fest. Wir wissen, dass beim Bafa mehrere Hundert Fälle anhängig sind. Das Bafa selbst spricht natürlich von einer geringeren Zahl, aber das ist auch nicht der Kern des Themas. Uns geht es darum, dass für Produkte, die nicht von den Sanktionen betroffen sind, schnellstmöglich eine praktikable Lösung gefunden wird. Im Moment haben Firmen fertig verpackte Maschinen und Komponenten versandfertig im Lager stehen, die sie nicht ausführen dürfen. Dadurch entstehen erhebliche Zusatzkosten, und die langjährigen Lieferbeziehungen zu den russischen Geschäftspartnern werden empfindlich belastet.
Das gilt insbesondere auch für die Hersteller von Dual-Use-Produkten – also von Gütern, die sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke verwendet werden können. Wie viele Maschinenbauer im Land betrifft dies?
Es ist richtig, dass die Hersteller dieser Produkte derzeit vor besonderen Herausforderungen stehen. Es gibt neun russische Firmen, an die überhaupt keine Dual-Use-Produkte mehr geliefert werden dürfen. In allen anderen Fällen erhalten nur diejenigen Exporteure eine Genehmigung, deren Güter nachweislich für zivile Zwecke genutzt werden. Dies nachzuprüfen ist für die Ausfuhrbehörde extrem zeitaufwendig. Und für die Maschinenbauer im Land bedeutet es einen erheblichen bürokratischen Aufwand und lange Wartezeiten. Es gibt keine Statistik darüber, wie viele Firmen im Land davon betroffen sind. Grundsätzlich betrifft es in Baden-Württemberg die Bereiche Bau- und Baustoffmaschinen, Power Systems, Landtechnik, Fördertechnik und Werkzeugmaschinen. Unsere Firmen im Land sind beunruhigt, dass auch Ausfuhren für zivile Zwecke unter den Sanktionen zu leiden haben.
Insbesondere im Ersatzteilgeschäft können sich die Firmen lange Wartezeiten gar nicht leisten – oder?
Ersatzteile sind extrem zeitkritisch. Wenn eine zivil genutzte Anlage nicht mehr läuft, weil ein Ersatzteil fehlt, müssen unsere Firmen natürlich unverzüglich liefern können. Das ist derzeit aber nur erschwert möglich. Dies belastet die Beziehung zum Kunden in Russland nachhaltig. Liefertreue und Servicezuverlässigkeit sind wichtige Kriterien, wenn es darum geht, ob unsere russischen Geschäftspartner auch künftig Maschinen aus Deutschland bestellen.
Sind die asiatischen Hersteller die großen Gewinner der Sanktionen?
Wir wissen, dass insbesondere asiatische Firmen jetzt verstärkt im russischen Markt aktiv sind und in die Lücke stoßen wollen, die sich durch das Embargo für europäische Lieferanten ergibt. Allerdings ist die Investitionsnachfrage aus Russland derzeit wegen der schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung sehr verhalten. Aktuell werden auch die asiatischen Mitbewerber dort keinen Verkaufsboom erleben. Aber klar ist auch: Die Firmen positionieren sich, und manch ein russischer Kunde wird auf ein asiatisches Produkt umsteigen, wenn es aus Deutschland heraus zu längerfristigen Lieferschwierigkeiten kommt. Das müssen wir im Wettbewerb etwa zu chinesischen Anbietern ernst nehmen.
Halten Sie Sanktionen angesichts dieser Schwierigkeiten für das geeignete Instrument?
Wir tragen die Sanktionen ausdrücklich mit. Es darf allerdings nicht so sein, dass baden-württembergische Maschinenbauer aufgrund der Unklarheiten bei der Auslegung der Sanktionen benachteiligt werden. Außerdem treten wir dafür ein, die Sanktionen nicht weiter zu verschärfen. Schon jetzt rechnen wir im Maschinenbau damit, dass die Aufträge aus Russland am Ende des Jahres um gut 30 Prozent unter Vorjahr liegen.