Weil die Zahl verfügbarer Fachkräfte angesichts des Beschäftigungsbooms zurückgegangen ist, dürften Fachkräfte in diesem Jahr bei Gehaltsverhandlungen gute Karten haben. Foto: dpa

Nach Prognosen von Vergütungsexperten dürften in diesem Jahr vor allem gut ausgebildete Spezialisten von Gehaltszuwächsen profitieren. Denn Unternehmen müssen was tun, um ihre Fachkräfte zu halten – oder neu zu gewinnen.

Stuttgart - Die geringe Arbeitslosenquote macht es für Unternehmen immer schwieriger, an ausgebildetes und erfahrenes Personal zu kommen. Dabei geht es nicht nur um studierte Ingenieure und IT-Experten, sondern auch ausgebildete Handwerker und Meister.

„Der Mangel an Fachkräften in Handwerksberufen führt zu höheren Preisen für deren Leistungen, was sich gleichzeitig positiv auf die Gehälter auswirkt“, sagt Tim Böger, Geschäftsführer der Vergütungsberatung Compensation Partner. Nach deren Prognosen werden die Gehälter 2019 langsamer steigen als im vergangenen Jahr. Die Analysten von Compensation Partner gehen bei ihrer Gehaltsprognose von einem Wachstum der Nominalgehälter für Vollzeitbeschäftigte um 2,9 bis 3,8 Prozent in diesem Jahr aus, nach 3,2 bis 4,4 Prozent 2018. Die Daten zeigen größere Ausschläge als beim Statistischen Bundesamt, weil das Bundesamt Gehälter nur bis zur Sozialversicherungsgrenze erfasst, die Vergütungsberatung aber mehrerer hunderttausend Vergütungsdaten des gesamten Marktes – etwa auch von freien Selbstständigen. Die Gehälter steigen in Boomzeiten entsprechend stärker und geben in Krisenzeiten auch stärker nach.

Inflationsrate ist auf 1,9 Prozent gestiegen

Für die nun langsamer steigenden Gehälter sieht Geschäftsführer Böger unterschiedliche Gründe. Dazu zählten unter anderem der Brexit, mögliche Handelskonflikte mit den USA und die politische Konstellation in Deutschland mit ihren geschwächten Volksparteien‚ sagt er und verweist zudem auf die steigende Inflationsrate, die der Entwicklung der Reallöhne und -gehälter nochmals einen Dämpfer versetze.

2018 hat sich die Inflationsrate laut dem Statistischen Bundesamt leicht auf 1,9 Prozent erhöht. Für 2019 dürfte sie laut Böger einen ähnlichen Wert erreichen, was zu einem Wachstum der realen Gehälter von 1,0 bis 1,9 Prozent führe.

Angesichts des Fachkräftemangels stecken viele Unternehmen und Branchen in der Zwickmühle. Das Ringen um Top-Fachkräfte, die trotz aller Prognosen mit hohen Gehaltsvorstellungen in die Gespräche gingen, könnte höhere Kosten für die Personalbeschaffung nach sich ziehen. „Personalmanagerinnen und Personalmanager werden alle Register ziehen müssen, um ihre offenen Stellen besetzen zu können“, sagt Böger und meint, dass eine Hochphase für Personalberater, Headhunter und Jobbörsen beginne. Die Kosten für das Recruiting werden 2019 steigen, darauf müssten sich Unternehmen einstellen, so Böger.

Automobilbranche verzeichnet nach wie vor hohe Umsätze

Beispiel Automobilbranche: Die Krise um den Volkswagen-Konzern und die Diesel-Abgaswerte könnte sich 2019 auch in den Gehältern und der Personalpolitik bemerkbar machen, heißt es bei Compensation Partner. 2018 musste die Branche laut Branchenverband VDA einen Produktionsrückgang von neun Prozent hinnehmen, auch der Export ging um neun Prozent zurück. Zwar verzeichnet die Automobilbranche nach wie vor hohe Umsätze mit einer positiven Entwicklung, doch bei den Gewinnen gibt es bereits Dämpfer.

Einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zufolge ist die Gewinnspanne der Autobauer auf den niedrigsten Stand seit der Finanzkrise gerutscht. Allein die Nachwehen der Dieselkrise hätten die deutschen Autobauer schon mehr als 30 Milliarden Euro gekostet und brächten weitere Belastungen mit sich. Zudem belasteten notwendige Milliardeninvestitionen in die Digitalstrategie, in Elektromobilität und autonomes Fahren die Gewinne. „Die Branche muss sich auf niedrigere Margen als in den zurückliegenden Boom-Jahren einstellen“, erwartet EY-Experte Constantin Gall.

Es trifft auch kleine und mittelständische Zulieferer

Neben den großen Autobauern trifft das auch viele kleinere und mittelständische Zulieferer, die sich unter Umständen auf eine schwierigere Auftragslage einstellen müssten. Diese Situation gepaart mit einem für Personalchefs fordernden Arbeitsmarkt, auf dem Fachkräfte nur schwer zu bekommen sind, macht es den Unternehmen nicht einfach. „Die Budgettöpfe für Gehaltsanpassungen müssen einerseits geringer kalkuliert werden, aber für Neueinstellungen und die innerbetriebliche Gehaltshygiene werden sie dagegen größer werden müssen, um attraktive Anreize für Mitarbeiterbindung und für Rekrutierung zu schaffen“, stellt Compensation Partner fest.

Freilich, Gehälter hängen von unterschiedlichen Einflussfaktoren ab – dazu zählen etwa Ausbildung, Berufserfahrung, Führungsverantwortung, Firmengröße oder Branche. Eine Fachkraft beispielsweise mit akademischem Hintergrund kann teils bis zu 70 Prozent mehr verdienen als ein Kollege ohne Studienabschluss, bei Führungskräften liegen die Gehaltsunterschiede teils bei bis zu 30 Prozent. Auch die Branche hat großen Einfluss. So werden im Maschinenbau, der Pharmazie oder der Automobilindustrie die höchsten Löhne gezahlt.