Die Maschine der Korean Air auf dem Stuttgarter Flughafen auf dem Weg zur Startbahn für den Rückflug nach Zürich. Foto: Marco Wolf

In Stuttgart haben zwei Kampfjets der Bundeswehr ein Passagierflugzeug zur Landung gezwungen. Die Luftwaffe erklärt, wie die Piloten der Abfangjäger Kontakt mit dem Flugzeug aufnahmen und ob der Einsatz gerechtfertigt war.

Stuttgart - Die Boeing 777 der Korean Air, Direktflug von Seoul (Korea) nach Zürich (Schweiz), war am Samstagabend über deutschem Luftraum, als die Deutsche Flugsicherung und die Militärische Flugsicherung aufmerkten: Kein Kontakt zur KE 917. Funkkontakt abgebrochen. Nach kurzer Beratung entschied die Luftwaffe: Sicherheit hat oberste Priorität. „In einer solchen Situation starten wir die Eurofighter“, sagte am Sonntag ein Sprecher der Luftwaffe.

Zwei Kampfjets des Taktischen Luftwaffengeschwaders, Stützpunkt 74 in Neuburg/Donau, starteten und verfolgten die Passagiermaschine, in der 211 Fluggäste saßen. Um sie einzuholen, flogen die Piloten mit Überschallgeschwindigkeit, so der Luftwaffensprecher. Über Stuttgarts Dächern kam es deshalb am Samstagabend gegen 22 Uhr zu lauten Knallgeräuschen, die Leute aufschreckten und innerhalb einer halben Stunde zu hunderten Beschwerdeanrufen bei Polizei und Flughafen führten.

Über Flückelwackeln und Gesten haben die Piloten kommuniziert

Währenddessen nahm die Besatzung des Kampfjets mit dem Piloten der Korean Air Kontakt auf. „Über Funk war das nicht möglich, also nutzten die Piloten internationale Zeichen wie Flügelwackeln und Gesten und bedeuteten ihm, in Stuttgart zu landen. Das Sicherheitsrisiko, ihn mit defektem Funkgerät nach Zürich fliegen zu lassen, wäre zu groß gewesen“, so der Sprecher der Luftwaffe. „Um 22.20 Uhr war die Maschine nach einer absolut sicheren Landung auf Position“, bestätigt eine Flughafensprecherin.

Sehen Sie im Video eine kurze Einschätzung der technischen Abteilung des Stuttgarter Flughafen:

„Solche Vorfälle ereignen sich 20 bis 30 Mal pro Jahr und durchschnittlich ein bis zwei Mal im Monat. In den Sommermonaten häufen sie sich allerdings, weil mehr Flugzeuge unterwegs sind“, sagte der Sprecher der Luftwaffe unserer Zeitung.

In der Tat hatte die Luftwaffe bereits am Freitag eingegriffen, um über Münster (Nordrhein-Westfalen) der Funkstörung einer anderen Passagiermaschine nachzugehen. Sie war im ägyptischen Badeort Hurghada gestartet und auf dem Weg nach Münster/Osnabrück, als die Flugsicherung entdeckte, dass auch dort Funkstille im Cockpit herrschte. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Fällen gibt es nach Auskunft der Luftwaffe nicht. Im Stuttgarter Fall habe ein kaputtes Funkgerät die Kommunikation verhindert, bei Münster hingegen habe es „keinen technischen Defekt“ gegeben. Die Luftwaffe prüft solche Fälle auch auf Bedienfehler hin.

Um 7.30 Uhr starteten die ersten Reisebusse nach Zürich

Für den Flughafen Stuttgart war die militärisch begleitete Landung „eine Premiere“, wie eine Sprecherin am Sonntag auf Anfrage betonte. Lediglich einmal habe man eine kleine Sportmaschine am General Aviation Terminal zur Landung auffordern müssen, aber auch das liege schon zehn Jahre zurück.

Für die Passagiere der Boing 777 hat das Deutsche Rote Kreuz noch am Samstagabend Feldbetten im Flughafen aufgebaut. Es habe, so die Flughafensprecherin, weder genügend Hotelbetten gegeben noch hätten in der Kürze der Zeit Busse zur Weiterreise organisiert werden können.

Am Sonntagmorgen haben die Fluggäste aus Südkorea ihre Reise fortgesetzt; um 7.30 Uhr starteten die ersten beiden Reisebusse in Richtung Zürich, weitere fuhren wenig später ab und brachten die insgesamt 211 Passagiere der Korean Air zu ihrem Zielort. „Es war natürlich ärgerlich für die Fluggäste, dass sie ihre Reise unterbrechen und auf Busse umsteigen mussten, aber sie waren nicht in Gefahr“, sagt die Sprecherin des Flughafens Stuttgart. Die Flughafenseelsorge sei nicht eingeschaltet worden, „dafür gab es keinen Bedarf“.

Fehler bei Technik und Bedienung

Die ungewöhnliche Landung hat den Flugverkehr in Stuttgart nicht wesentlich beeinträchtigt, lediglich drei Zubringermaschinen aus dem europäischen Raum sind mit Verspätung gelandet. Auch das Nachtflugverbot hätte man einhalten können, so der Airport.

An der Boeing der Korean Air haben die Techniker der Fluglinie mit der Fehlersuche begonnen. Für die Beschäftigten der Deutschen und der Militärischen Flugsicherung geht die Arbeit weiter wie bisher. Sie haben alles, was fliegt, 24 Stunden lang auf dem Radarschirm.

Im Namen der Flugsicherheit

Eurofighter Eurofighter Die Luftwaffe besitzt 140 dieser Maschinen, die im Verteidigungs- und Angriffsfall als Waffe eingesetzt werden. Die Jets sind fast 16 Meter lang und haben eine Spannweite von mehr als zehn Metern. Dem Kampfjet reicht eine Landestrecke von weniger als 600 Metern, er erreicht Höchstgeschwindigkeiten von annähernd 2500 Kilometern pro Stunde.

Schallgeschwindigkeit
Die Geschwindigkeit, mit der sich Schall bewegt, ist abhängig vom Medium und der Temperatur. Bei einer Temperatur von 20 Grad bewegt sich der Schall mit 1236 Kilometern pro Stunde fort. Fliegt ein Flugzeug mit Überschall, ist es schneller als die Schallgeschwindigkeit. Es kommt zu Stoßwellen an Teilen des Flugzeugs, hörbar als Knall.

FlugsicherheitGemäß § 27c des Luftverkehrsgesetzes ist die Deutsche Flugsicherung verpflichtet, den Flugverkehr sicher, geordnet und flüssig abzuwickeln. Sie berät sich im Alarmfall mit einem Verbindungsoffizier der Luftwaffe. Die Luftwaffe wiederum ist zuständig für die Gefahrenabwehr und beobachtet alle Flugobjekte rund um die Uhr – von Jets bis hin zum Gleitschirm.