In deutschen Gerichten bestimmen nach wie vor Papierakten das Bild. Foto: dpa

Das Internet erobert die Justiz. Nicht alles, was dabei technisch möglich ist, ist auch empfehlenswert, kommentiert Christian Gottschalk.

Stuttgart - In nahezu keinem Bereich der Rechtsfindung steigen die Fallzahlen derzeit so rasant wie bei den Klagen auf Entschädigung von Flugreisenden. Das hat mehrere Gründe. Mehr Flugzeuge, mehr Verspätungen und ein immer besseres Wissen der Kundschaft ob ihrer Rechte – nicht zuletzt wegen der massiven Werbung diverser Onlineplattformen, die dem Kunden dazu verhelfen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es gibt aber auch einen Trend, wonach Fluggesellschaften erst einmal nichts tun, wenn sie zur Zahlung aufgefordert werden. Überwiesen wird erst, wenn der Fall vor Gericht gelandet ist. Die Justiz wird dazu genutzt, Verfahren zu verschleppen. Wenn sich die Strategie der Airlines nicht ändert, ist hier der Gesetzgeber gefragt.

China gibt den Vorreiter

Der steht zudem vor deutlich schweren Entscheidungen, denn die computergestützten Helferlein breiten sich in der Justiz immer rasanter aus. Das deutsche Prozessrecht, in dem noch immer das Abfangen von Telegrammen geregelt ist, stößt dabei oft an seine Grenzen. Und dabei ist das erst der Beginn einer Entwicklung. In China gibt es seit zwei Jahren ein Gericht, in dem praktisch der gesamte Zivilprozess online abgewickelt wird. Unlängst wurde dort erstmals die Blockchain-Technologie als Beweismittel anerkannt. Mit dieser Technik wird unter anderem Kryptowährung generiert. Es wird eine Frage der Zeit sein, bis dieses Thema auch in deutsche Gerichtssäle schwappt.

Dabei ist nicht alles, was technisch möglich ist, auch automatisch willkommen. Vollautomatische Urteilsgeneratoren dürfen zum Beispiel nie einen Richter ersetzen. Ein bisschen mehr moderne Welt darf es dennoch auch hier sein: Bis heute ist nicht einmal eine Klageerhebung per einfacher E-Mail möglich.

christian.gottschalk@stzn.de