Die Landung auf einem schwankenden Deck ist knifflig – auch am PC. Foto: Screenshot DCS World/Phillip Weingand

Kein Kino, kein gemeinsamer Sport, keine Pubbesuche: Die meisten Hobbies unseres Redakteurs sind derzeit unmöglich. Zum Glück gibt es da noch eines – es ist ansteckungsfrei und weniger einsam, als man meinen könnte.

Rems-Murr-Kreis - Unter uns tobt die See, rundherum brüllt der Rotorenlärm. Im Licht des Suchscheinwerfers leuchtet ein Schiff auf, das durch den Wellengang auf und ab geworfen wird. Der Landeplatz am Heck wirkt jetzt seltsam klein. Doch an Bord braucht ein Covid-19-Patient dringend Hilfe: Wir sind seine letzte Hoffnung, rechtzeitig das Festland zu erreichen. Die Voraussetzung ist, dass ich diesen Helikopter auf dem Deck platzieren kann, ohne Schiff und Fluggerät in ein flammendes Inferno zu verwandeln.

„Papaaaa“, tönt es in dem Moment aus dem Nebenzimmer. „Da sitzt eine Fliege auf meiner Decke.“ Corona muss also warten – die Pausetaste gedrückt.

Heimische Cockpits mit originalgetreuen Schaltern und Steuerknüppeln

In Zeiten, in denen Pub- und Kinobesuche, gemeinsamer Sport und selbst der Schwimmkurs des Töchterchens ausfallen müssen, wird der Mensch auf seine Grundbedürfnisse reduziert. In meinem Fall ist das seit vielen Jahren auch das Fliegen – und zwar, da ich mit einem denkbar bescheidenen Sehsinn gesegnet bin, das virtuelle Fliegen. Mein namenloser Copilot sitzt zwar weniger als die von der WHO empfohlenen anderthalb Meter von mir entfernt. Doch er besteht nur aus Polygonen und Pixeln. Garantiert keine Ansteckungsgefahr.

Die Spezies Flugsimulator-Fan gehört ohnehin nicht zur Gruppe jener, die von Krankheiten besonders bedroht sind, die durch Formen sozialer Interaktion übertragen werden. Zugegeben, das Klischee kommt nicht ganz von ungefähr: Eine Verbindung zur Außenwelt gibt es während der Flugzeit nur per Headset – mit anderen Verrückten, die sich irgendwo auf der Welt in derselben, selbst gewählten prekären Lage befinden.

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Ja, manche von uns haben tatsächlich Spaß daran, stundenlang in engen, selbst gebauten Cockpitattrappen zu sitzen, sich möglichst authentisch zu ernähren und die virtuelle Flugzeit durch ebenso virtuelle Luftbetankungen noch weiter zu verlängern. Gerüchteweise (ich persönlich kenne keinen, bei dem die Faszination so weit geht) existieren auch Simulatorpiloten in authentischen Fliegeranzügen, inklusive Helm und sogenanntem Piddle Pack. Wozu letzterer dient, soll hier unerwähnt bleiben.

Allein vor dem PC, aber Teil einer weltweiten Flightsim-Gemeinschaft

Nicht, dass wir Flightsimmer komplett antisozial seien. Egal, ob Microsoft Flight Simulator, DCS World, Falcon 4, X-Plane oder wie sie alle heißen: Für jede der Softwares gibt es im Netz weltweite Gemeinschaften, die Neueinsteigern dabei helfen, die einzelnen Flugzeugmuster zu beherrschen. Manche verbringen Stunden ehrenamtlicher Arbeit damit, anderen Nutzern kostenlos Missionen oder neue, im besten Fall historisch akkurate Anstriche für die Flugzeuge zu erstellen. In Foren und sozialen Netzwerken tauschen sich Australier, Russen, Chinesen, Amerikaner und Polen über ihr Hobby aus – in den meisten Fällen friedlich. Aber eben infektionsfrei – das hat auch was für sich.

Serie: Leben in Zeiten des Coronavirus

An dieser Stelle berichten unsere Redakteure in unregelmäßigen Abständen aus dem Home-Office – und davon, wie sie mit der völlig neuen Situation zwischen Schreibtisch, Kinderbetreuung und Infektionsschutzmaßnahmen umgehen. Habt Ihr ähnliche Erlebnisse? Dann schickt sie uns an redaktion.waiblingen@stzn.de