Das neue Mövenpick Hotel Stuttgart Messe & Congress ist derzeit geschlossen, der Tagungsbereich jedoch wird je nach Bedarf genutzt. Foto: Matthias Ring

Der Direktor der Stuttgarter Mövenpick-Hotels, Jürgen Köhler, sieht nach dem Lockdown das Tagungsgeschäft langsam wieder in Schwung kommen. Mit vielen Übernachtungen von Messegästen aber sei für dieses Jahr nicht mehr zu rechnen.

Echterdingen - Jürgen Köhler ist seit 23 Jahren Hoteldirektor der Mövenpick-Gruppe am Standort Stuttgart. Er ist für die größten zwei Häuser am Flughafen zuständig: das Stuttgart Airport und das neue und derzeit geschlossene Stuttgart Messe & Congress. Im Interview sagt Köhler, wie man mit der Krise umgeht.

Herr Köhler, die Hotels in der City können zumindest mit ein paar Städtetouristen rechnen. Aber wie ist die Lage auf den Fildern?

Alle hier oben teilen das gleiche Schicksal. Diejenigen, die überwiegend von Messe, Flughafen und Geschäftsreisenden leben, sind ähnlich betroffen. Aber alle, die etwas weiter draußen sind, die etwas mit Tourismus zu tun oder größere Flächen in der Gastronomie haben, sind zumindest in diesem Bereich besser unterwegs. Die anderen sind natürlich gebeutelt.

Und Sie sind gleich doppelt gebeutelt, denn Sie haben zwei große Hotels.

Nur die Messe hat unser zweites Hotel gerechtfertigt. Bei den zwei großen Messen Anfang 2020, darunter die Intergastra, haben wir gemerkt, wie das Produkt angenommen wurde. Das war super. Und nach sechs Wochen kam dann der Shutdown.

Seitdem ist das neue Hotel geschlossen, und das bleibt auch erst mal so?

Wenn man zwei Häuser hat, ergibt das derzeit keinen Sinn, beide im Betrieb zu haben. Im Moment ist es für uns nur sinnvoll, den Tagungsbereich zu öffnen, weil hier (im Mövenpick Airport, Anm. d. Red.) hat unser Ballsaal 560 Quadratmeter, drüben sind es 740, also deutlich mehr Kapazität. Wir gehen eigentlich davon aus, dass die Messen in diesem Jahr in der Form, wie wir sie kennen und bräuchten, um auch den Zimmerbereich zu bespielen, nicht mehr stattfinden.

Aber das Tagungsgeschäft läuft inzwischen wieder gut?

Ja, wir haben viele kleine Veranstaltungen und auch einige Anfragen, die sich so um die 100 bis 150 Personen bewegen. Außerdem haben wir noch größere Veranstaltungen im System, die gebucht wurden, bevor das Thema Pandemie aufgekommen ist. Da müssen wir jetzt schauen: Findet die Veranstaltung statt und wenn ja, in welchem Rahmen, denn da sind auch welche darunter mit 250 bis 300 Teilnehmern, und das geht so im Moment natürlich nicht.

Mit der Corona-Krise als Auslöser verlagert sich möglicherweise künftig der Meeting-Bereich mehr in Videokonferenzen und virtuelle Begegnungen.

Man hört von vielen Firmen, die dieses Jahr Geschäftsreisen verbieten. Punkt. Aber ich persönlich glaube, auch wenn das Thema Teams und Skype und dergleichen sehr aktuell ist: Die Menschen brauchen den persönlichen Kontakt. Das hören wir auch von Tagungen, die wieder stattfinden: dass Referenten sagen, „ich bin so froh, dass ich wieder vor einer Gruppe stehen kann“. Das wird also wiederkommen, wenn auch nicht in dem Maße wie früher. Aber 70 ist ja das neue 100.

Wie meinen Sie das?

Ich meine, dass 70 Prozent von den früheren 100 heute gut genug sein müssen.

Das gilt erst recht für die Auslastung der Zimmer. Wie sind die Zahlen da?

Der August war für uns schon immer ein sehr schwieriger Monat. Für den Flughafen ist das einer der besten, wegen des touristischen Reiseverkehrs. Aber der Gast, der hier startet, ist nicht wirklich unser Gast. Aber für September und Oktober gehen wir davon aus, dass wir auf 40, 45, vielleicht sogar 50 Prozent Belegung kommen. Das wäre für uns schon mal nicht schlecht.

Die laufenden Kosten in so einem Haus sind vermutlich hoch.

Ja, und die Instrumente der Kostenreduzierung gehen einem irgendwann aus. Wir sind hier in einem Vier-Sterne-Superior-Haus, und ich kann ja nicht die Leistung so runterfahren, dass wir im Zwei-Sterne-Bereich landen. Manche erwarten vielleicht, dass man jetzt mit den Preisen runtergehen müsste, aber eigentlich müsste man hochgehen, weil die Anforderungen größer sind. Desinfektion, Zimmer reinigen, Zimmer einen Tag liegen lassen, bevor wir es wieder vermieten. Man muss dann schon zu seinem Preis stehen. Aber das ist auch etwas, das der Dehoga predigt: dass man sich nicht gegenseitig mit den Preisen kaputt macht. Das ist keine Preisabsprache, sondern nur der Wille, auf dem Level zu bleiben, auf dem man vorher war.

Haben Ihnen auch die staatlichen Hilfsprogramme über die Runden geholfen?

Bei uns hat das Hilfsprogramm für Baden-Württemberg insofern nicht gegriffen, weil unsere Gesellschaft in Berlin sitzt. Gerade das, wofür der Dehoga gekämpft hat, 3000 Euro pro Betrieb und 2000 pro Mitarbeiter, ist an uns vorbeigegangen. Aber was ich sagen muss: Wir hatten vorher ja nie mit Kurzarbeit zu tun. Und das ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern eine enorme Entlastung, gerade für die Mitarbeiter. Und wir sind froh, dass unsere Mitarbeiter bei der Stange bleiben. Das sind immerhin 200 und mit unseren Dienstleistern insgesamt 250 bis 280.

Da tragen Sie eine große Verantwortung und müssen eine Perspektive geben.

Tja, wenn man jetzt sagen könnte, am 31. Dezember ist alles vorbei, bis dahin kommen wir irgendwie durch . . . Aber diese Unsicherheit, dass es vielleicht doch ins neue Jahr hineinreicht und wer weiß, wie lange, das ist das Schwierige. Wir müssen den Mitarbeitern einen Horizont geben. Ich schreibe einmal die Woche an alle. Auf der einen Seite, um die kritischen Zahlen aufzuzeigen und zu vermitteln, dass das alles kein Spiel ist. Auf der anderen Seite, um in kleinen Schritten nach vorne zu zeigen, etwa mit dem Geschäft im Bankettbereich oder mit der Wiedereröffnung des Restaurants.

Das ist bislang geschlossen, weil es nicht genügend Nachfrage gibt?

Wer keine Außengastronomie hat, der hat derzeit auch ein Problem. Deswegen ist unser Restaurant noch geschlossen, aber am 7. September machen wir wieder auf. Wir haben viele lokale Stammgäste bei uns im Restaurant, das sehr beliebt ist. Gäste, die uns seit vielen Jahren begleiten und die fragen: Kann ich meinen Dinnergutschein einlösen? Wann gibt’s wieder Brunch? Ich schreib ihnen alle zwei Monate, um zu sagen, wo wir stehen. Es ist wichtig, den Gästen das Gefühl zu geben, dass sie dazugehören.

Sie können also trotz allem positiv nach vorne schauen?

Ich bin eigentlich recht zufrieden. Die Mitarbeiter spüren, dass wir uns um sie kümmern. Und die kümmern sich um uns, machen das, was gemacht werden muss. Da geht es um gegenseitige Wertschätzung und auch um die für den Arbeitsplatz, dass man froh ist, überhaupt wieder kommen zu dürfen. Man ist ja zu jeder Stunde und Minute von diesem Thema betroffen, und ich finde, man muss aufpassen, dass man diese Last nicht dauernd reflektiert gegenüber Gast und Mitarbeitern, sondern zeigt, dass wieder Bewegung, dass wieder Leben da ist.