Eine Hilfsorganisation verteilt Essen an Flüchtlinge auf der griechischen Insel. Foto: AFP/LOUISA GOULIAMAKI

Viele Migranten auf Lesbos kämpfen darum, die Insel verlassen zu können. Gleichzeitig errichten die Behörden für sie ein neues, provisorisches Lager. Hilfe kommt unter anderem aus Brandenburg, eine klare Absage an die Migranten dagegen aus Wien.

Lesbos/Athen - Auch am Wochenende nach dem zerstörerischen Großbrand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos bleibt die Situation auf der Insel angespannt und unübersichtlich. Dem griechischen Staatsradio zufolge konnten am Samstagnachmittag die ersten Migranten ein neues, provisorisches Zeltlager beziehen. Doch Tausende stehen weiterhin buchstäblich auf der Straße. Brandenburg kündigte Hilfslieferungen unter anderem von Feldbetten an. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz lehnte unterdessen eine Aufnahme von Migranten erneut kategorisch ab.

Im Laufe des Samstags kam es auf Lesbos immer wieder zu spontanen Demonstrationen von Migranten und in der Folge auch zu Zusammenstößen mit der Polizei. Einige Migranten warfen mit Steinen, die Polizei setzte Tränengas ein, wie Bilder im griechischen Fernsehen zeigten. Auch seien von den ehemaligen Lagerbewohnern entlang der Straße immer wieder Feuer entzündet worden, berichtete die griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA. Inmitten der Auseinandersetzungen und ohne eine Chance, ausweichen zu können: Kinder, Familien mit Kleinkindern und alte Menschen.

Corona-Schnelltest für Flüchtlingen

Die Zusammenstöße spielen sich entlang jenes Straßenabschnitts ab, auf dem viele Migranten nach dem Brand gestrandet sind und der nun in beide Richtungen von der Polizei abgesperrt wurde. Die Beamten versuchen, die Menschen daran zu hindern, in die Inselhauptstadt Mytilini zu gelangen. Stattdessen sollen sie in einem neuen, provisorischen Zeltlager untergebracht werden, das seit Freitag auf einem ehemaligen militärischen Schießübungsplatz errichtet wird.

Die ersten Menschen sollen dort nun schon aufgenommen worden sein, wie das griechische Staatsradio berichtete. Sie würden registriert und sofort einem Corona-Schnelltest unterzogen. Vor dem Brand am Mittwoch waren bereits 35 Migranten positiv auf das Coronavirus getestet worden, im anschließenden Chaos konnten sie aber nicht mehr ausfindig gemacht werden. Die Insel-Onlinezeitung „Sto Nisi“ berichtete, am Samstag sei ein 20 Tage altes Baby einer Migranten-Familie aus Afghanistan mit starken Symptomen im Inselkrankenhaus positiv auf Corona getestet und mit seiner Mutter nach Athen in ein Krankenhaus gebracht worden.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) kündigte am Samstag im RBB-Inforadio an, jeweils 500 Feldbetten, Schlafsäcke und Wolldecken sowie zehn Stromerzeuger nach Lesbos zu liefern. Zudem bleibe es bei der Zusage, dass über 40 Familien mit kranken Kindern nach Brandenburg kommen könnten, sagte Stübgen. Darüber hinaus seien die Möglichkeiten der Hilfe aber begrenzt.

Klare Absage von Sebastian Kurz

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz bekräftigte indes trotz politischen Drucks das Nein seiner Regierung zu einer Aufnahme von Menschen aus dem abgebrannten Lager. „Wenn wir diesem Druck jetzt nachgeben, dann riskieren wir, dass wir dieselben Fehler machen wie im Jahr 2015“, sagte der konservative ÖVP-Politiker am Samstagmorgen in einer Videobotschaft auf Facebook. In der damaligen Flüchtlingskrise hätten die „schrecklichen“ Bilder von Migranten am Bahnhof in Budapest dazu geführt, dass die europäische Politik dem Druck nachgegeben habe. Dann hätten sich mehr Menschen auf den Weg nach Mitteleuropa gemacht, erklärte Kurz.

Statt Geflüchtete aufzunehmen, will Österreichs Regierung nächste Woche 400 Unterkünfte mit Heizungen, Betten und Decken für 2000 Hilfsbedürftige nach Lesbos transportieren lassen, wie Kurz und sein Vizekanzler Werner Kogler der Nachrichtenagentur APA am Samstagabend schriftlich mitteilten. Zudem würden zehn Sanitäter und ein Arzt des Bundesheers abgestellt. Darüber hinaus „und angesichts der humanitären Krisen in vielen Teilen der Welt, auch aufgrund der Corona-Pandemie“, werde die österreichische Regierung den Auslandskatastrophenfonds von 25 auf 50 Millionen Euro verdoppeln.

Das Flüchtlingslager Moria war am Mittwoch nach Unruhen und Brandstiftungen fast völlig abgebrannt. Über Nacht wurden dadurch rund 12 000 Menschen obdachlos. Die Migranten wollen nicht in ein neues Lager gebracht werden, sondern weg von der Insel. Auch die Anwohner wehren sich gegen die Errichtung einer neuen Unterkunft.