Serkan Eren, kurz vor der Abreise im Büro von Stelp. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Serkan Eren ist Vorsitzender der Stuttgarter Hilfsorganisation Stelp. Trotz Warnungen bricht er am Freitag Richtung Griechenland auf, um den Flüchtlingen vor Ort zu helfen.

Stuttgart - Serkan Erens Blick ist müde. Die Augen des 35-Jährigen sind dunkel umrandet, manchmal machen seine Gesten einen niedergeschlagenen Eindruck. Die letzten Tage habe er nur wenig Schlaf gehabt, entschuldigt er sich. „Die Situation nimmt mich sehr mit“, sagt er. Die Situation – damit meint er, einer der Vorsitzenden des Stuttgarter Vereins Stelp, die Lage an der griechisch-türkischen Grenze. Eren und seine Mitstreiter haben sich die Bekämpfung von Fluchtursachen zur Aufgabe gemacht, in drei Kontinente entsenden sie sogenannte Volontäre, die als freiwillige Helfer vor Ort Aufbauhilfe leisten. Auch auf einigen griechischen Inseln ist der spendenfinanzierte Verein aktiv. Dort war es nach der Grenzöffnung durch Präsident Erdogan zuletzt vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen gekommen. Das Auswärtige Amt warnt vor „gewaltsamen Auseinandersetzungen“ auf den Inseln Lesbos, Chios und Samos, die Medienberichten zufolge vor allem auf einheimische Rechtsextreme zurückzuführen sind.

Serkan Eren scheint das nicht aufzuhalten. Am heutigen Freitag geht sein Flieger nach Chios, von wo aus er weiter nach Lesbos und eventuell an die griechisch-türkische Grenze reisen möchte. Dem Leid könne er nicht länger aus der Ferne zusehen, begründet der Stelp-Mitgründer das Wagnis. Auf Lesbos war Eren zuletzt im Dezember, nach eigenen Angaben assistierte er schon mehr als fünfzehn Mal auf der Urlaubsinsel, die wie kaum ein anderer Ort in Griechenland zum Sinnbild der Flüchtlingsdramatik geworden ist.

Sehen Sie im Video ein bericht aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. Dort war die Situation bereits im Dezember letzten Jahres sehr angespannt.

Lager stand plötzlich in Flammen

Wenn Eren von der aktuellen Situation spricht, fallen Worte wie „verrückt“, „der Wahnsinn“ oder „unbegreiflich“. Als „beinahe apokalyptisch“ umschreibt er die Vorgänge an der Grenze; Freunde aus der Region würden ihm fast stündlich von neuen Auseinandersetzungen berichten. Und auch Stelp ist mittendrin: Erst Mitte der Woche sei der Verein von einem Ereignis auf Chios geschockt worden, berichtet er. 2016 hatten die Stuttgarter dort gemeinsam mit Einheimischen ein Kleiderlager für Flüchtlinge aufgebaut. Ein griechischer Bekannter hatte nach dem ersten Ansturm die Betreuung übernommen – und steht nun vor dem Nichts.

In der Nacht auf Dienstag ging das Lager plötzlich in Flammen auf, die Feuerwehr ließ laut Eren keine Zweifel an der Ursache: Brandstiftung. Der Angriff habe den humanitären Zielen des Vereins gegolten, vermutet Eren. Auch das raube ihm zuweilen den Schlaf. An seinem Willen, den Menschen vor Ort zu helfen, hält der Stuttgarter dennoch fest: „Ich werde mich einbringen, wo ich kann. Als Einzelperson bin ich immer ein bisschen unter dem Radar der Behörden unterwegs, kann also flexibel und schnell zur Hilfe eilen. Wenn es nötig ist, werde ich mir vielleicht einen Sprinter mieten und an die Grenze fahren, um dort zu unterstützen.“ Der Hinflug, eine Unterkunft bei Freunden, Kontakte zu hilfsbereiten Einheimischen – für die Anreise steht alles bereit. Nur ein Rückflugticket hat er noch nicht. Serkan Eren möchte so lange bleiben, wie er gebraucht wird.