Neu angekommene Flüchtlinge aus Somalia im Lager Dadaab. Foto: EPA FILE

Die Regierung Kenias will ihre beiden größten Flüchtlingslager schließen und Hunderttausende Vertriebene zurückschicken, vor allem nach Somalia. Hilfsorganisationen sind entrüstet.

Nairobi - Die Ankündigung der kenianischen Regierung, die beiden größten Flüchtlingslager auf ihrem Staatsgebiet zu schließen und Hunderttausende vor allem somalischer Vertriebener nach Hause zu schicken, hat unter internationalen Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Ende vergangener Woche bekannt gegebene Entscheidung sei „rücksichtlos“ und gefährde das Leben Tausender von Menschen, erklärte Amnesty International, während Ärzte ohne Grenzen von einem „weiteren Beispiel der zum Himmel schreienden Vernachlässigung von Flüchtlingen“ sprach.

Die Schließung ist der falsche Schritt

Auch innerhalb Kenias sorgte die Absicht der Regierung für scharfe Kritik: Der Schritt sei „moralisch, politisch und ökonomisch falsch“, befand die oppositionelle Orange Democratic Movement (ODM). Karanja Kibicho, Staatssekretär im kenianischen Innenministerium, hatte die „schnellstmögliche“ Schließung der beiden Flüchtlingslager in Daadab und Kakuma sowie die Auflösung der Regierungsabteilung für Flüchtlingsangelegenheiten (DRA) angekündigt. Die Entscheidung wurde mit „sehr gewichtigen wirtschaftlichen, ökologischen und sicherheitspolitischen Problemen“ begründet. Nach Abwägung ihrer Interessen sei die Regierung zu dem Ergebnis gekommen, dass die „Aufnahme von Flüchtlingen zu einem Ende kommen muss“.

Allein in Daadab leben derzeit rund 325 000 Somalier, manche von ihnen bereits seit 25 Jahren. Kakuma beherbergt insgesamt 190 000 Flüchtlinge, außer Somalier auch Südsudanesen. Staatssekretär Kibicho räumte ein, dass die Schließung der Camps „nachteilige Auswirkungen für das Leben der Flüchtlinge“ haben könne. Deshalb müsse „die internationale Gemeinschaft kollektiv die Verantwortung für die humanitären Folgen dieser Entscheidung“ übernehmen. Kibicho fügte hinzu, dass die Lager „Brutstätten für Terroristen“ geworden seien: Seit Jahren üben somalische Extremisten tatsächlich immer wieder Anschläge auf kenianischem Boden aus, denen bereits Hunderte von Menschen zum Opfer fielen.

Keine Terroranschläge aus Flüchtlingslagern heraus bekannt

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch widersprach jedoch der Behauptung der Regierung: Bislang sei noch kein einziger Fall eines an einem Terroranschlag beteiligten Bewohners eines Flüchtlingscamps bekannt geworden, heißt es in einer Stellungnahme der New Yorker Organisation. Augenzeugen berichten von einer sich ausbreitenden Unruhe unter den Camp-Bewohnern. „Die Leute machen einen verzweifelten Eindruck“, schrieb die 23-jährige Nadifa Abdullahi in einem Blog: „Sie haben keine Ahnung, was sie jetzt tun sollen“.

Große Teile Somalias werden noch immer von der extremistischen Al-Schabab-Miliz beherrscht, die unter der Bevölkerung Angst und Schrecken verbreitet. Seit mehreren Jahren haben Truppen der afrikanischen Mission Amisom, der auch kenianische Soldaten angehören, den Extremisten zwar bedeutende Niederlagen beigebracht. Doch vor allem die ländlichen Gegenden des bereits seit Jahrzehnten verwüsteten Landes gelten auch unter Beobachtern des Flüchtlingswerks der Vereinigten Nationen (UNHCR) als zu gefährlich für eine Rückkehr der Vertriebenen. Internationales Recht verbietet der kenianischen Regierung, Flüchtlinge in lebensbedrohliche Regionen zurück zu senden.

Uganda zieht seine Truppen ab

Nairobi drohte bereits in der Vergangenheit wiederholt mit der Schließung der Flüchtlingslager, um dann doch wieder davor Abstand zu nehmen. Dass die Drohung dieses Mal ernst zu nehmen ist, macht jedoch die bereits erfolgte Auflösung der Flüchtlingsabteilung der Regierung deutlich. Für Aufregung sorgten auch Berichte aus Uganda, wonach die dortige Regierung einen Abzug ihrer Truppen aus Somalia plant. Mit fast 10 000 Soldaten bilden ugandische Truppen das größte Kontingent an der Amisom-Mission: Wie deren Operationen ohne ugandische Beteiligung weitergehen soll, steht in den Sternen. Unter den zahllosen Afrikanern, die derzeit nach Europa fliehen, machen Somalier neben Eritreern die größte Gruppe aus.