Auch eine Frau aus dem Iran ist mit ihrem Kind in der Grenzstadt Edirne gestrandet. Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

An der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland herrscht gespannte Ruhe. Der Flüchtlingsstrom hat merklich nachgelassen. Der türkische Präsident Erdogan hat seine Politik erneut geändert.

Istanbul - Eine Woche nach Beginn des Flüchtlingsansturms auf die griechische Grenze in der Türkei hat der Druck dort nachgelassen. Zwar gab es am Freitag wieder Zusammenstöße zwischen Flüchtlingen und griechischen Grenzschützern am Grenzübergang Pazarkule, doch sanken die Zahlen der Flüchtenden gegenüber den letzten Tagen deutlich. Mancherorts entlang der grünen Grenze rückten bereits Reinigungskräfte an, um den Müll von tausenden Flüchtlingen einzusammeln und öffentliche Einrichtungen zu desinfizieren. Aus Istanbul wurden keine Abfahrten von Reisebussen mehr gemeldet. Auch an der Ägäis entspannte sich die Lage, nachdem der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Behörden anwies, den Seeweg zu sperren. Die Landgrenze soll nach seinen Worten zwar von türkischer Seite dauerhaft offenbleiben. Doch unter den Flüchtlingen spricht sich inzwischen offenbar herum, dass dies keine freie Fahrt nach Europa bedeutet, weil die griechische Grenze geschlossen bleibt.

Keine Aufrufe zur kostenlosen Fahrt an die Grenze mehr

Auf rund 142 000 bezifferte der türkische Innenminister Süleyman Soylu am Freitag die Zahl der Geflüchteten. Damit kamen nach amtlicher Zählung in den letzten zwei Tagen nur noch rund 6000 Flüchtlinge an die Grenze, nachdem es in den vorangegangen fünf Tagen fast 136 000 gewesen waren. Die Aufrufe zur kostenlosen Fahrt an die Grenze, die seit einer Woche in sozialen Medien verbreitet wurden, verstummten seit Mittwoch. In Istanbul warteten Nachzügler vergeblich auf die kostenlosen Busse, die seit Freitag vergangener Woche mit Flüchtlingen an die Grenze nach Edirne gependelt waren. Am Grenzfluss Maritsa sammelten türkische Müllabfuhren und Reinigungstrupps seit Donnerstag den Müll von verlassenen Lagern ein. Im Grenzdorf Doyran spritzten Arbeiter in Schutzanzügen mit Hochdruckreinigern die Toiletten von Moschee und Mehrzweckhalle aus, die in den Tagen zuvor noch von tausenden von Flüchtlingen benutzt wurden.

Auch an der Ägäis beruhigte sich die Lage. In den 24 Stunden bis Freitagmorgen kamen nach griechischen Medienberichten nur noch 58 Flüchtlinge auf den Inseln an, nachdem der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) in den vorangegangenen Tagen noch mehr als 600 pro Tag gezählt hatte. Wartende Flüchtlinge an der türkischen Küste berichteten der Zeitung „Evrensel“, die türkische Küstenwache hindere sie an der Überfahrt. Der Hintergrund ist offenbar eine Anweisung von Staatspräsident Erdogan, die Bootsflüchtlinge zu stoppen. Der Präsident rufe ihn täglich an, um darauf zu dringen, berichtete Innenminister Soylu türkischen Medien. „Pass auf, Süleyman, lasst keinen auf das Meer“, sage der Präsident ihm. „Frauen und Kinder dürfen nicht zu Schaden kommen.“

Landgrenze soll offen bleiben

Die Landgrenze zu Griechenland solle dagegen geöffnet bleiben, sagte Erdogan Pressevertretern auf dem Rückflug aus Moskau, wo er am Donnerstag mit Präsident Wladimir Putin einen Waffenstillstand für Idlib ausgehandelt hatte. „Wir haben keine Zeit, mit Griechenland darüber zu diskutieren, ob die offene Grenze jetzt wieder geschlossen wird – das ist vorbei“, sagte Erdogan. „Wir haben das Tor jetzt geöffnet, die Flüchtlinge gehen, soweit sie das können; wir werfen sie nicht mit Gewalt aus dem Land.“

Doch in arabischen Chatgruppen von Flüchtlingen an der Grenze und in Istanbul verbreiteten sich Fotos von nackten und verletzten Flüchtlingen, die von griechischen Grenztruppen zurück geschoben wurden, und Videos von Zusammenstößen an der Grenze. Waren die Flüchtlinge in den ersten Tagen noch in dem Glauben gekommen, dass der Weg nach Europa offen sei, so hat es sich nun herumgesprochen, dass die türkische Grenzöffnung keine Reisefreiheit bedeutet und die Reise für die meisten Flüchtlinge am Fluss Maritsa endet. Deutschland habe andere Sorgen und werde nichts für die gestrandeten Flüchtlinge tun, hieß es im Freitag in einer dieser Gruppen – „und Österreich und die anderen Länder sowieso nicht.“

Appell Die Oberbürgermeister aus sieben Städten haben einen Appell veröffentlicht: In der Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingskindern fordern sie, es den Städten zu ermöglichen, freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen. Damit steigt der Druck auf die Bundesregierung.

Liste Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland sind die Unterzeichner die Oberbürgermeister von Köln, Düsseldorf, Potsdam, Hannover, Freiburg, Rottenburg am Neckar und Frankfurt an der Oder. STZ)