Ein Justizmitarbeiter führt Dieab K. in den Gerichtssaal. Foto: dpa

Das Landgericht Ravensburg verurteilt einen syrischen Flüchtling wegen der Vorbereitung zum Mord. Der Mann soll einen „Gesamtplan“ verfolgt haben, an dessen Ende der Märtyrertod stehen sollte.

Ravensburg - Im Gepäck waren 17.000 Zündhölzer, Handfunksprechgeräte, Batterien, Feuerwerkskörper und zwei lange Küchenmesser – die Grenzpolizisten in Puttgarden auf Fehmarn staunten, als sie am 18. November vergangenen Jahres einen damals 20-jährigen Syrer bei der Einreise nach Dänemark kontrollierten. Das Gepäck wurde beschlagnahmt, der Mann jedoch per Zug zurück an seinen Abreiseort geschickt: eine Asylunterkunft im oberschwäbischen Biberach. Kurz darauf kam es dort zur Festnahme und einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Mitgliedschaft bei der Terrormiliz Islamischer Staat.

Am Mittwoch hat die 2. Große Strafkammer ein Urteil gesprochen. Der Angeklagte Dieab K., inzwischen 21 Jahre alt, muss wegen „Bereiterklärung zum Mord“ in Tateinheit mit schwerer staatsgefährdender Gewalt für sechseinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Anwendung des Jugendstrafrechts habe eine längere Haft verhindert, sagte Richter Stefan Maier. Im zurückliegenden Prozess hat das Gericht die Radikalisierungsgeschichte jenes Flüchtlings rekonstruiert, der im Sommer 2015 über die Türkei, Griechenland, Serbien und Österreich erst nach Saarbrücken kam und anschließend über die Aufnahmestelle Meßstetten in eine Unterkunft nach Biberach. Auswertungen des Handys des Angeklagten hätten während des Ermittlungsverfahrens große Mengen von Internetbildern ans Licht gebracht, die IS-Verbrechen zeigten, Chateinträge, die sich um die Ausbreitung des Kalifatstaats drehten, zudem eine Anleitung zum Bombenbau. Zündhölzer spielten dabei eine Rolle, Feuerwerkskörper und Batterien.

Kontakt mit anderen Radikalislamisten

Den Schritt von der Radikalisierung zur Tatvorbereitung ging der 21-Jährige laut Gericht, als er über Sozialmedien Kontakt mit einem weiteren Radikalislamisten bekam, der mittlerweile in Schweden identifiziert wurde. Die Männer hätten geplant, als Selbstmordattentäter nach Kopenhagen zu reisen, wo auf belebten Plätzen „mehrere Bomben gezündet werden sollen“, so Richter Maier. Die Opferzahl habe so hoch als nur möglich sein sollen. Sprengstoffexperten hatten im Prozess ausgesagt, allein das vom Angeklagten mitgeführte Material hätte nach dem Zusammenbau „handgranatenähnliche Wirkung“ entfalten können.

Er sei nur ein Bote gewesen, habe nach Übergabe des Rucksacks zurück nach Biberach reisen wollen, sagte der Angeklagte. Vom Islamischen Staat habe er sich inzwischen distanziert. Das Gericht wertete die Aussage als „Teilgeständnis“, das den Kern der Tatabsicht verschleiern sollte. Hier sei ein „Gesamtplan“ verfolgt worden, so der Richter, an dessen Ende der Märtyrertod stehen sollte.

Die Polizei fand „Abschiedsbotschaften“

Da sei erst der gespeicherte Bombenbauplan und dann später die Einkäufe exakt gemäß dieser Anleitung, die laut Gericht offenbar beispielsweise auch vorschrieb, die Sprengzutaten in verschiedenen Geschäften und nicht am selben Tag zu besorgen, damit kein Aufsehen erregt würde. Die Polizei fand zudem elektronisch versendete und handgeschriebene „Abschiedsbotschaften“ des Angeklagten, abgesendet an jenem 18. November 2016. Der Syrer habe keine Rückfahrkarte nach Biberach gekauft, und er habe so viel Bargeld wie möglich mitgenommen. Richter Maier: „Hier ist ein Mann, der hat abgeschlossen gehabt mit einem Weiterleben.“

Was mit den Küchenmessern hätte geschehen sollen, blieb ungeklärt. Der Angeklagte hatte dazu geschwiegen. Leider wisse man inzwischen von Attentaten weltweit, so der Richter, wo versucht worden sei, noch vor der Bombenzündung möglichst viele Menschen umzubringen.