Voller Einsatz: französische Flipper-Meisterschaft in Carvin Foto: AFP

Bis zu 15 000 Euro können seltene Flipperautomaten kosten. Der Boom der einstigen Publikumsmagneten macht es möglich. Sogar junge Leute begeistern sich wieder für das Ratterspiel.

München - Bimmeln, Klacken, Rattern, Klingeln. Das „Tschack“ der Zugfeder, mit der die silberne Kugel ins Spiel geschossen wird. Freuden- und Enttäuschungsschreie der Spieler, ihre Gesichter beleuchtet von flimmernden Lichtern. Bis in die 80er Jahre hinein waren Flipperautomaten lautstarke Aufmerksamkeitsmagneten in Spielhallen und ein Muss in jeder Kneipe. Ende der Siebziger wurden mehr als 40 000 Geräte allein in Deutschland verkauft. Der Absturz kam auf Raten. Die Flipperkiller hießen Pacman, Space Invaders, schließlich Nintendo und Playstation. Erst Videospiele, dann Gaming-Apps, liefen den rabaukenhaften Monstern den Rang ab. Die Absatzzahlen stürzten ab, alte Geräte wurden aus den Kneipen geworfen, nur ein paar treue Sammler stellten Flipper in Hobbykeller und Museen.

Eigentlich könnte hier die Geschichte der Flipper zu Ende sein. Doch nun häufen sich Anzeichen, dass die Bimmelkästen dem Schicksal von Telefonzellen, Videokassetten oder Aerobic-Klamotten entgangen sind, und nun ein überraschendes Revival erleben. Von 2009 bis 2017 hätten sich die Teilnehmerzahlen an Flipperturnieren in Ländern wie den USA oder Australien mehr als verzehnfacht, berichtet das US-Magazin „Newsweek“. Der US-Flipperhersteller Stern steigerte seine Absatzzahlen seit 2015 um etwa 40 Prozent. Auch der deutsche Flipperverband, die „German Pinball Association“ (GPA), hat heute mehr als dreimal so viele Mitglieder wie 2013. „Der Anstieg in absoluten Zahlen, von 230 auf 800 Mitglieder, mag gering vorkommen“, sagt GPA-Mitgründer Martin Wiest, „aber der Trend ist ganz deutlich.“

Der Münchner Entwicklungsingenieur Wiest (57) ist noch einer vom alten Schlag. Als Kind und Jugendlicher mit Flippern aufgewachsen, hat er nun im heimischen Keller eine Sammlung mit mehr als 70 Geräten stehen. Er fährt zu Flippermessen, Turnieren, repariert alte Automaten und kann genau erzählen, was die Technik eines „Metallica“-Flippers von der Technik eines „Addams-Family“-Flippers unterscheidet. Doch es gibt auch neue Fans. Der Berliner Jörg Breul (59) ist im vergangenen Dezember in den Pinballverband eingetreten. „Mein Sohn hat mich dazu ermuntert, weil er selbst gerne flippert“, sagt Breul, „seitdem gehe ich fast jedes Wochenende in die Flipperhalle Berlin. Nun habe ich auch schon meine 30-jährige Tochter angesteckt. Auch sie kommt regelmäßig – und bringt Freundinnen mit.“

Manche Fans sind so begeistert, dass sie stundenlang spielen

Flipperhallenbesitzer Jörg Meißner (53) hat 59 Flippertische in einer Lagerhalle in Berlin-Zehlendorf aufgebaut. „Am Wochenende wird schon mal die Luft dick“, sagt der Elektroinstallateur, „die Leute sind mit einer unglaublichen Begeisterung dabei. Manche spielen nonstop von 14 bis 22 Uhr.“

Es ist das Physische, das viele Neuspieler am Flippern zu faszinieren scheint, die echte Silberkugel, die mechanischen Rampen, Bumper, Targets und Ejects, das gefühlvolle Spiel mit der Zugfeder, die die Kugeln ins Spiel schießt, oder den beiden Flipperhebeln, die die Kugel im Spiel halten. „Es dürfte sich bei der Renaissance um einen Retrotrend handeln“, sagt der Kölner Kulturhistoriker Dennis Göttel, „fast schon eine Retromanie, so wie das Comeback der Schallplatte.“ Es gebe da „eine Sehnsucht nach echten Gegenständen und nicht nur der Darstellung von Gegenständen auf Bildschirmen.“ Der 39-Jährige hat sich der Erforschung der Bedeutung und Geschichte der Flipperautomaten verschrieben: „Eigentlich hatten meine Untersuchungen zu den Flippern schon etwas Archäologisches, wie das Forschen an einer untergegangenen Kultur. Aber jetzt ist das Comeback da.“

GPA-Mitgründer Martin Wiest sieht die Gründe für den Boom ähnlich: „Das Taktile spielt eine Riesenrolle. Wenn Kinder einen Flipper das erste Mal sehen, können sie nicht widerstehen, sie müssen drücken und schießen.“ Erwachsene sähen die Automaten zunehmend als Gegengift zur Digitalisierung: „Immer mehr Leute haben keinen Bock mehr, auch noch zur Entspannung auf Screens zu starren.“ Letztlich sei der Flipper auch ein soziales Gerät: „Man steht am Flipper rum, guckt zu, kommentiert und trinkt ein Bierchen. Da kommt keine Playstation mit.“

Selbst einen „Game-of-Thrones“-Flipper gibt es inzwischen

Der neue Flipperboom hat auch Johannes Ostermeier erfasst. Der 17-Jährige aus dem bayerischen Markt Schwaben nimmt jedes Jahr an einem Dutzend Turnieren teil und gilt als große Hoffnung des Pinballsports. „Ich habe mit vier Jahren angefangen“, sagt der Schüler, „da musste ich auf einen Stuhl steigen, um spielen zu können.“ Vergangenes Jahr flog Ostermeier zur Weltmeisterschaft nach Toronto. „Es lief nicht hundertprozentig“, meint er, „ich wurde nur Zwanzigster.“ In Deutschland ist er die klare Nummer Eins, in der Weltrangliste steht er derzeit auf Rang Drei. Sein Erfolgsrezept: „Ich habe ein sehr gutes Gefühl für die Geräte, weiß millimetergenau wie stark ich die Kugel schießen oder die Flipper bewegen muss. Wenn es gut läuft, werde ich schon mal eins mit der Maschine.“ Er grinst: „Dann könnte ich sogar mit verbundenen Augen spielen.“

Alles ein bisschen merkwürdig für ein Spiel, bei dem man eigentlich nicht richtig gewinnen, sondern nur die Niederlage so lange wie möglich hinauszögern kann. Manche Fans sehen die Maschinen als Investitionsobjekt, so wie Oldtimer, Rotwein oder Uhren. Bis zu 15 000 Euro können seltene gebrauchte Flipperautomaten auf dem Gebrauchtmarkt kosten. Vor Kurzem hat der führende Hersteller Stern Pinball einen „Game-of-Thrones“-Flipper auf den Markt gebracht, komplett mit einem „animierten interaktivem Drachen“ und dem „Der-Winter-naht-Eilmodus“. Das einzige Problem: Alle Modelle sind ausverkauft.