Hinter Schlossmauern berät der Gemeinderat Foto: factum/Archiv

Der Ort steht schlechter da, als er es lange gewohnt war. Oder ist die Lage nur eine andere?

Hemmingen - Das neue Jahr hatte in Hemmingen gut angefangen. Die Stimmung im Ratssaal war gelöst, die Gemeinderäte selbst waren bester Laune. Sie hatten auch allen Grund dazu, dank einer frohen Kunde des Finanzamts. Der Kämmerer korrigierte daraufhin nämlich die geplanten Einnahmen aus der Gewerbesteuer um sage und schreibe elf auf 20 Millionen Euro nach oben. Allerdings: Das war 2009.

Neun Jahre später ist die Fröhlichkeit im Ratssaal einer nüchternen Arbeitsatmosphäre gewichen. Der Kämmerer – damals wie heute ist es Horst Etzel – verweist darauf, dass die Gemeinde, vergangenes Jahr nicht einmal 2,2 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen verbuchte. Dabei hatte sie doch mit 3,6 Millionen gerechnet. Für 2018 rechnet die Kämmerei immerhin mit 4,4 Millionen Euro. Das ist nahezu jene Summe, die im Etat fehlt, um die laufenden Ausgaben zu decken. Wie dieses Defizit ausgeglichen werden kann – dafür fehlten sowohl der Verwaltung als auch den Mitgliedern im Ausschuss für Technik und Umwelt am Dienstagabend die Ideen.

Zwischen den Extremen liegen acht Jahre

Dass die Hemminger irgendwann kleinere Brötchen backen müssten, davor hatte schon der Amtsvorgänger von Bürgermeister Thomas Schäfer stets gewarnt. Als Werner Nafz 2009 die frohe Kunde des Finanzamts öffentlich machte, meinte er an den Gemeinderat gerichtet, man müsse nun umgehen mit dem Geld „und hoffen, dass wir das auch können“. Den Schampus köpften die Räte damals auch deshalb nicht.

Viele Räte von damals sind auch heute noch dabei. Sie trugen seit jeher mehrheitlich die zurückhaltende Finanzpolitik mit. Schließlich war ihnen ihre Abhängigkeit vom großen Steuerzahler Porsche stets bewusst. Der zahlte mal mehr, mal weniger, aber niemals schlecht dafür, dass er seine Fahrzeuge in Hemmingen entwickelte.

Mit der Eingliederung des Zuffenhausener Sportwagenbauers in den VW-Konzern ist es mit den großen Zahlungen seit 2016 endgültig vorbei. Doch Hemmingen ist nicht nur Porsche. Ein zweites zahlungskräftiges Unternehmen wurde aufgekauft. Seit der Gewürzhersteller Hagesüd Ende 2013 von einem israelischen Unternehmen übernommen wurde, ist Hemmingen auch in diesem Fall nur noch ein Unternehmensstandort von vielen. Entsprechend kleiner fällt auch hier der Hemminger Anteil am Kuchen der insgesamt erwirtschafteten Gewerbesteuer aus.

Die Gemeinde will sich dennoch weiter entwickeln. Rund fünf Millionen Euro wird die Gemeinde in diesem Jahr nach jetzigem Stand in Neuanschaffungen beziehungsweise neue Projekte investieren. Die Beratungen darüber stehen jetzt an.

Doch die Diskussion ist programmiert. Denn der SPD-Fraktionschef Wolfgang Stehmer hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kommune nach wie vor ein gut gefülltes Sparschwein habe. Laut dem Kämmerer Etzel sind auf dem Sparbuch der Gemeinde zu Jahresbeginn 25 Millionen verbucht. Vor diesem Hintergrund schmeckte der SPD schon die Erhöhung der Kitagebühren nicht. Sie sprach von „blinder Gebührenerhöhungswut“.

Die Gemeinde wächst schnell

Die Familien sind es auch, die einen deutlichen Wandel in der Kommune vollziehen: Die Gemeinde hat inzwischen nahezu 8000 Einwohner. Lange stagnierte sie bei rund 7500. Das Neubaugebiet Hälde ist stark nachgefragt – so stark, dass auf dem freien Markt 600 Euro pro Quadratmeter Baugrund bezahlt wurden. Die Kommune verkaufte ihre Grundstücke laut dem Kämmerer für 485 Euro je Quadratmeter, um möglichst vielen das Bauen zu ermöglichen. Doch schon wird die Ausweisung eines zweiten Baugebiets überlegt.

Die Gemeinde wuchs mit dem seit Jahren ersten Neubaugebiet und verändert sich so rasch wie seit Jahrzehnten nicht. Auch damit müssen die Hemminger umgehen. Wie, das werden die anstehenden Haushaltsberatungen zeigen.