Ein schwieriger Charakter: Der US-Erfinder Thomas Alva Edison (Benedict Cumberbatch) mit seinem Phonographen. Foto: Leonine/Dean Rogers

War Thomas Ava Edison ein Erleuchteter oder ein Egomane – oder beides? Und wie kann eine Rückkehrerin aus der Fremde zurückfinden in ihre Kultur? Diese und andere Themen werden in dieser Wochen in den Kinos verhandelt.

Stuttgart - Die große Leinwand ein Ort der Auseinandersetzung. In dieser Woche sind darauf unter anderem ein mongolisches Drama, ein düsterer Horrorfilm und ein poliertes Biopic zu sehen – ein Überblick über die Neustarts.

Edison – Ein Leben voller Licht

Der deutsche Filmtitel kündigt eine Lichtgestalt an, er legt eine Huldigung nahe für den großen Erfinder Thomas Alva Edison, einen der Väter der Elektrifizierung der Menschheit. Im Original heißt der Film wie in den Geschichtsbüchern „Current Wars“ („Stromkrieg“), und beide Titel zusammen beschreiben recht exakt, was es im aktuellen Spielfilm zu sehen gibt.

Der Tausendsassa Edison (Benedict Cumberbatch), Erfinder unter anderem der Glühbirne und des Phonografen, reist als brillanter Selbstvermarkter durch die USA und sammelt von vermögenden Männern Forschungsgelder ein. Einen aber versetzt er: George Westinghouse (Michael Shannon), der daraufhin Edisons erbitterter Gegenspieler wird.

Um Gleich- versus Wechselstrom geht es nun und um die Erleuchtung der Welt, die Edison nicht nur in New York eindrucksvoll vorführt. Monumentale Kinobilder bietet der Regisseur Alfonso Gomez-Rejon, Glühbirnenmeere, digitale Kulissen der Weltausstellung in Chicago 1893, Fabrikhallen mit ein wenig Steampunk-Anmutung. Leider nicht Steampunk genug, insgesamt sind Zeitkolorit und Kostüme eher konventionell geraten und es wird zu wenig an elektrischen Apparaturen gebastelt, bis die Funken fliegen. Die Bilder sind „larger than life“ – ihr Inhalt ist es häufig nicht, trotz der großen Erfindungen.

Das Geplänkel der Kontrahenten mit medialem Schlagabtausch ermüdet irgendwann, und der serbische Erfinder Nikola Tesla (Nicholas Hoult), ein entscheidender Akteur, der von Edison und von Westinghouse ausgenutzt wurde, bleibt eine Randfigur. An Tiefe gewinnt diese Hochglanz-Popcorn-Produktion immerhin bei der im wahrsten Sinne des Wortes haarsträubenden Einführung des elektrischen Stuhls.

The Vigil – Die Totenwache

Yakov (Dave Davis) hat den Glauben verloren und löst sich gerade von der jüdisch-orthodoxen Gemeinde in Brooklyn. Er besucht eine Selbsthilfegruppe, um die christlich-multikulturell geprägte Gesellschaft der USA zu verstehen, die ihm fremd erscheint. Weil er Geld braucht, gibt er nach, als sein Rabbi ihn bittet, in einem alten Haus eine nächtliche Totenwache zu halten. Die entpuppt sich als Horrortrip, der mit Halluzinationen beginnt. Irgendwann stellt sich heraus, dass der Verstorbene von einem Dämon befallen war, der einen neuen Wirt sucht...

Einen sehr klassischen Horrorfilm hat Keith Thomas gedreht, in dem Lampen flackern, Tote sich erheben und verschüttete Traumata aufbrechen. Schmerz dient dem Monster als Nahrung, und davon schleppt Yakov reichlich mit sich herum. Das schummrig beleuchtete Innere des Hauses ist detailverliebt auf Grusel getrimmt, der Dämon allerdings wirkt eher wie eine Geisterbahnfigur – wahrscheinlich war das Geld zu knapp für amtliche Effekte.

Das größte Handicap ist ein Altbekanntes: Niemand außer dem Protagonisten würde an einem solchen Ort so lange ausharren, bis es kein zurück mehr gibt. Schon nach fünf Minuten möchte man Yakov zurufen: Lauf!

Schwarze Milch

Die Filmemacherin Uisenma Borchu (36) wurde in der Mongolei geboren und kam mit sechs Jahren nach Deutschland. Die autobiografischen Parallelen sind also unverkennbar, wenn sie nun eine Frau namens Wessi spielt, die nach langer Zeit zurückkehrt in die mongolische Steppe und zu ihrer Schwester Ossi (Borchus Cousine Gunsmaa Tsogzol). Die beiden haben einander vermisst, sind sich aber auch sehr fremd geworden. Während Ossi Tiere versorgt, Wasser schleppt und die Jurte pflegt, schminkt sich Wessi jeden Morgen, legt Berliner Chic an und macht wenig Anstalten, zu helfen. Als sie dann auch noch einem Nachbarn den Kopf verdreht, verschwenderisches Baden in Milch vorschlägt und mit feministischem Gestus Traditionen der patriarchalischen Gesellschaft angreift, kommt es zum Eklat.

Wie ein Fremdkörper ragt Wessi aus der Weite der Steppe, doch Borchus Culture-Clash-Drama weist weit über die Mongolei hinaus: Ihre prägnanten Figuren und deren Konflikte tragen universelle Züge und laden dazu ein, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, was Identität und Herkunft bedeuten. Menschen mit zwei kulturellen Hintergründen dürfte dieser Film aus der Seele sprechen, Biodeutschen kann er ein Gefühl dafür vermitteln, was es heißt, eine alte und eine neue Heimat zu haben und zwischen den Stühlen zu sitzen.

Weitere Starts

Von Liebe und Verlangen zwischen zwei Balletttänzern erzählt das georgische Drama als wir tanzten (ab 12, im Delphi). Affleck spielt in Out of Play (ab 12, Metropol) einen einstigen Basketball-Star mit Universitätsstipendium, der total abgestürzt ist – und nun als Trainer den Neuanfang versucht. Zombie-Horror der blutrünstigen Sorte gibt es in der Horror-Komödie Yummy zu erleben (ab 18, Cinemaxx SI, Gloria), ein Komponistenporträt in Anton Bruckner – Das verkannte Genie (ab 12, Atelier am Bollwerk).