Entführt an Bord eines Nazi-U-Boots: Dr. Guilbert (Henri Vidal, Mitte) Foto: Gaumont

1946 dreht der Franzose René Clément einen bösen Film, den damals alle schnell vergessen wollen. Ein paar Top-Nazis setzen sich gegen Kriegsende nach Südamerika ab. Mit an Bord: ihre Helfershelfer aus anderen Ländern, fast lauter feine Leute. Arte zeigt „Das Boot der Verdammten“ als deutsche Erstausstrahlung.

Stuttgart - Sofort etwas drehen, das unter den Nazis nicht erlaubt gewesen wäre: das war der Wunschtraum aller wichtigen Filmemacher Frankreichs nach 1945. Das sperrigste Projekt setzte René Clement („Nur die Sonne war Zeuge“) um. Der marschierte 1946 in die Victorine Studios in Nizza und ließ ein deutsches U-Boot vom Typ VII C nachbauen, in Originalgröße, mit detaillierten Replikas aller Geräte und Inneneinrichtungen, nur noch komplizierter als das Original. Alles sollte schnell aus- und wieder einbaubar sein, um wechselnde Plätze für Kamera, Ton und Licht zu schaffen. Außerdem sollte sich eine Seite des Boots von der anderen lösen und bei Bedarf auf Schienen verschieben lassen. In dieser aufwendigen Kulisse entstand „Das Boot der Verdammten“.

Kaum aushaltbares Pack

Das U-Boot hier geht nicht auf Feindfahrt. Es nimmt in den letzten Kriegstagen per Geheimorder Schurken des Regimes an Bord, einen General und dessen Geliebte, Kollaborateure aus Italien und Frankreich, einen Waffenentwickler, einen Mitarbeiter aus Himmlers Stab und dessen seltsamen Assistenten. Außerdem verschleppt die Bande einen französischen Arzt, den Erzähler des Films, um unterwegs medizinische Versorgung zu haben. Anfangs ist man mit dem Vorwand eines Auftrags unterwegs: Man soll in Südamerika den neuen Gefechtsstand für die bald nachrückende Führungsriege des Dritten Reiches vorbereiten. Schnell geht es aber nur noch ums eigene Entkommen.

Was man heute leicht übersehen kann: Cléments Film ist damals so leicht konsumierbar wie ein Tritt ins Gesicht. Er rückt die Kollaborateure in den Blick. Er thematisiert, dass nicht bloß ein paar sadistische Schergen, sondern gebildete, feine Kreise bereit waren, des Profits wegen mit den Nazis zusammenzuarbeiten. Dass der Arzt (Henri Vidal) aus dem Off kommentiert, was wir sehen, scheint uns heute völlig überflüssig. aber Clément baut das ein, weil das Pack an Bord und die Frage, mit welchen Kompromissen man selbst eigentlich durch den Krieg kam, fürs Publikum kaum auszuhalten gewesen wäre. Fotografiert hat das Ganze der große Kameramann Henri Alekan, der am Ende seiner Karriere Wim Wenders’ „Der Himmel über Berlin“ ins Bild setzte.

Eine aktuelle Drohung

Arte zeigt in deutscher Erstausstrahlung die intakte Fassung des fürs deutsche Kino einst gekürzten Films. Der ist in manchen Passagen wieder kribbelig aktuell. Die nach Südamerika Fliehenden zweifeln, ob nicht doch alles aus sei. Der General (Kurt Kronfeld) aber erklärt ihnen: „Der Sieg gehört nicht unbedingt denen, die den Krieg gewinnen. Der Sieg ist nie endgültig.“ Schon dieser Drohung wegen, die Nazis könnten einmal wiederkommen, hat man Cléments Film rasch vergessen wollen.

Ausstrahlungen: Arte, Montag, 20. Juli 2020 um 21.35 Uhr; Mittwoch, 22. Juli 2020 um 15.45 Uhr; Donnerstag, 30. Juli 2020 um 13.40 Uhr; Montag, 17. August 2020 um 13.40 Uhr.