Beim Klassik-Open Air wurde die „Ludwigsburg Sinfonie“ uraufgeführt – die Musik dazu kam vom Schlossfestspiele-Orchester und den Prager Symphonikern. Foto: factum/Granville

25 Jahre alt ist die Filmakademie in Ludwigsburg – am Wochenende hat sie sich selbst gefeiert. Und ein bisschen auch ihre Heimat: beim Klassik-Open-Air vor Schloss Monrepos wurde die „Ludwigsburg Sinfonie“ uraufgeführt, eine filmische Hommage an die Stadt.

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Ludwigsburg - Wenn Menschen in virtuelle Realitäten abtauchen, sieht das für Außenstehende komisch aus. Da sitzen oder stehen sie dann, mit einer übergroßen Brille vor den Augen, machen merkwürdige Bewegungen und geben merkwürdige Laute von sich. Um zu verstehen, warum sie das tun, muss man selbst die Brille aufsetzen. Dann fliegt man plötzlich mit Höchstgeschwindigkeit durch einen brennenden Wald oder steht mitten in einem Computerspiel und darf Gott spielen. Am Freitag haben im Akademiehof viele Menschen merkwürdige Bewegungen und Laute gemacht.

Abgetaucht in virtuelle Welten

Begonnen haben die Feierlichkeiten zum 25. Geburtstag der Filmakademie bereits am Donnerstagabend mit einem Festakt im Scala, bei dem unter anderem der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine launige Rede hielt. Am Freitag dann durften die Studenten des Animationsinstituts öffentlich zeigen, was sie können. Im Akademiehof hatten sie Mottozelte postiert, darunter ein Virtual-Reality-Zelt, in dem von Studenten produzierte Werke präsentiert wurden. „Unfassbar, was heutzutage alles möglich ist“, sagte ein staunender Jugendlicher, als er die Spezialbrille vom Kopf zog. In den anderen Zelten konnten sich die Besucher aufnehmen und in einen Film montieren lassen – oder gleich einen eigenen Trickfilm drehen: mit Muffins als Hauptdarstellern.

Die Akademie schlägt Wurzeln

Wenn eine Filmakademie Geburtstag feiert, dann tut sie das vor allem mit: Filmen. Die gab es dann auch reichlich, im Caligari-Kino, den Ade-Studios und an anderen Stellen in der Stadt. Besonders entspannt war die Atmosphäre im Akademiehof. Eine riesige Leinwand, davor bunte Liegestühle, daneben ein Stand mit Getränken. „Das könnte eigentlich immer so sein“, scherzt ein Besucher. „Ich könnte mich dran gewöhnen.“ Das nächste Jubiläum ist indes erst in 25 Jahren, und es ist davon auszugehen, dass die Akademie dann fester in der Stadt verwurzelt ist als heute.

Denn das ist, wenn man so will, das einzige Manko. „Ich finde es toll, dass die Studenten hier sind“, sagt eine ältere Dame, als sie am Blauen Engel, dem wohl beliebtesten Studenten-Treffpunkt, vorbeischlenderte. „Aber man kriegt nicht so viel davon mit, was die machen. Die jungen Leute bleiben eher unter sich.“ Ein anderer Passant sieht es ähnlich: „Es gibt wenig Berührungspunkte zwischen den Studenten und der alteingesessenen Bevölkerung.“ Aber ihn störe das nicht, er sei trotzdem stolz auf die Erfolge der Filmemacher. Und: „Die bringen Leben in die Stadt, das ist doch gut.“

Hommage an die Stadt

Viel Leben ist am Samstag jedenfalls vor dem Schloss Monrepos. Die Schlossfestspiele haben zum Klassik-Open Air geladen, das in diesem Jahr ebenfalls im Zeichen des Akademie-Jubiläums steht. Was sich daran zeigt, dass das Festival-Orchester und die Prager Symphoniker Filmmusik spielen. Vor allem aber daran, dass spät am Abend die „Ludwigsburg Sinfonie“ uraufgeführt wird. So steht es im Programm, aber viele Besucher wissen damit erst einmal wenig anzufangen. „Weißt du, was das ist?“, fragt ein Mann seine Frau in den voll besetzten Stuhlreihen. „Irgendein Film“, antwortet die Gattin.

In der Tat ein Film, aber nicht irgendeiner. Thomas Schadt, der Direktor der Filmhochschule, kommt selbst auf die Bühne, um den Tausenden Zuschauern das Projekt vorzustellen. Zwei Jahre lang, erklärt er, hätten haufenweise Studenten und Dozenten an dem Werk gearbeitet, das eine Hommage an Ludwigsburg sein solle. Man wolle der Stadt und ihren Einwohnern aus „vollstem Herzen Danke sagen“ für die Partnerschaft, Nachbarschaft und Freundschaft.

Das sieht man dem 20-Minüter an. Er beginnt mit beeindruckenden Bildern der erwachenden Stadt, die Studenten haben Menschen bei der Arbeit gefilmt, Bäcker, Friseure, Gärtner, oft in Zeitlupe, was mit der tragenden, schwebenden Musik des Orchesters harmoniert. Gebäude tauchen auf, die Schlösser, das Marstall, der Synagogenplatz, der Marktplatz, eine Trauung, die Basketballer oder die Zentrale Stelle zur Verfolgung von Naziverbrechen.

Als Imagefilm taugt das Werk, das in einer längeren Version auf DVD erscheint, eher nicht, das soll es auch nicht sein. Denn auch Architektursünden oder soziale Gegensätze werden nicht ausgeblendet. Wenn sich etwa ärmere Menschen bei der Ludwigsburger Tafel mit dem Nötigsten eindecken müssen und in der nächsten Sequenz bestens gekleidete Zigarrenraucher bei den Retro Classics in die Kamera grinsen. Und so erzählt die Sinfonie, obwohl es sich um einen Stummfilm handelt, durchaus eine Geschichte: die Geschichte einer bunten Stadt, in der Menschen aller Hautfarben leben, und das meistens friedlich. Einer Stadt auch, die durch die Akademie noch ein wenig bunter geworden ist. Wie es ein Geburtstagskind macht, feiert diese sich in diesen Tagen ausgiebig selbst, aber mit der „Ludwigsburg Sinfonie“ eben ein bisschen auch ihre Heimat. Am Ende gibt es langen Applaus – und wie es sich für ein Open Air gehört: ein Feuerwerk.

Reden, Partys, Matinee

Thomas Schadt ist müde. Es ist Sonntagmittag, und gerade hat der Akademiedirektor bei einer Matinee im Caligari mit besonders erfolgreichen Studenten geplaudert, mit den Gewinnern von Studenten-Oscars. Das Publikum hat gebannt zugehört, als die Filmemacher von ihren Erfahrungen in den USA berichteten und davon, wie sich ihr Leben nach dem Oscar verändert hat. Im Anschluss setzt sich Schadt selbst in eine der Sitzreihen, müde eben, aber offensichtlich glücklich.

Er hat wenig geschlafen, am Samstagabend hat die Akademie im Blauen Engel gefeiert. Die Party war lang, und Schadt war der Mann mit dem Schlüssel. „Ich bin als Letzter gegangen“, sagt er. Viele Reden hat er seit Donnerstag gehalten, jetzt sind die Festivitäten vorbei, die Matinee war der letzte offizielle Programmpunkt. „Ich bin total happy, es war alles einfach super.“ Es sei nicht selbstverständlich, dass der Ministerpräsident zu einem Festakt komme. Die Atmosphäre auf dem Akademiehof sei an allen Tagen unglaublich, der Rahmen beim Klassik-Open Air sehr edel gewesen.

Auch Schadt weiß, dass sich das Leben vieler Studenten um den Akademiehof herum abspielt und um das Studium dreht. „Mir geht es ja ähnlich, manchmal komme ich auch tagelang nicht hier raus.“ Insofern sei das Jubiläum eine hervorragende Gelegenheit gewesen, sich bei der Stadt zu bedanken und den Leuten etwas zurückzugeben. „Einen besseren Rahmen hätte es dafür gar nicht geben können.“

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