In der Schule, die Dominik bisher besucht hat, werden auch Kinder und Jugendliche mit anderen Behinderungen unterrichtet und betreut. Foto: dpa

Die Krankenkasse will einem schwerstbehinderten Jungen aus Filderstadt nicht den Schulbesuch ermöglichen. Die Mutter ist verzweifelt, sie ist überzeugt davon, dass der Unterricht ihrem Sohn gut tut.

Filderstadt - Dominik ist auf sehr viel Hilfe angewiesen. Er kann nicht gehen und auch nicht stehen, hat eine Magensonde und bekommt immer wieder Hustenanfälle. Seit seiner Geburt leidet der 14-Jährige an Morbus Canavan, einer neurodegenerativen Stoffwechselerkrankung. Dadurch ist er schwer mehrfachbehindert. Seine Möglichkeiten, sich zu äußern oder zu reagieren sind sehr stark beschränkt. Sprechen kann er nicht, selbst mit den Händen kann er nicht kommunizieren. Außenstehende nehmen lediglich wahr, dass er immer wieder die Augen verdreht. Doch seine Mutter sagt, sie könne seine Mimik deuten. Alexandra Dabs erkennt, wenn es ihrem Sohn gut geht. „Wenn sein Vater oder seine Schwester nach Hause kommt, freut er sich jedes Mal,“ sagt sie.

Schule ist einzige Abwechslung im Alltag“

Die Frau aus Filderstadt weiß auch, dass ihr Sohn gern zur Schule geht. In seinem Zeugnis steht: „Gefühle und Stimmungen kann er gut erfassen, er kommuniziert diese über seine Augen und seine Gesichtsmimik.“ Die Betreuung in der Stuttgarter Schule für Behinderte sei sehr speziell. Auf jeden einzelnen der sechs Jugendlichen in der Klasse werde individuell eingegangen. Die Sonderpädagogen, Physio- und Ergotherapeuten arbeiteten viel mit Sinneswahrnehmung. „Dominik hat dort auch eine Schulkameradin, die er schon seit der Kindergartenzeit kennt“, sagt Alexandra Dabs. Die Schule sei für ihren Sohn die einzige Abwechslung in seinem Alltag. „Das ist sein Ding“, sagt sie.

Hinzu kommt, dass Alexandra Dabs in den vier Tagen, an denen Dominik in der Schule ist, Zeit hat, um einzukaufen und dringende Besorgungen zu erledigen. Schließlich kümmert sie sich sonst rund um die Uhr um Dominik, betreut und versorgt ihn. Auch deshalb hat sie ein großes Interesse daran, dass ihr Sohn regelmäßig zur Schule geht.

Doch dieses Recht wird dem behinderten Jungen streitig gemacht. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) will dem 14-Jährigen die erforderliche medizinische Hilfe nicht mehr zahlen. Anfang dieses Jahres hat sie den Eltern mitgeteilt, dass sie die Finanzierung der sogenannten Krankenbeobachtung einstellen werde. „Das kam sehr plötzlich, schließlich hatte die Krankenkasse die Hilfe drei Jahre lang bezahlt“, sagt Dabs. Ohne diese Krankenschwester kann Dominik nicht zur Schule gehen. Das hat auch die Schulleitung bestätigt. Der schwerstbehinderte Junge hat immer wieder Atemaussetzer und droht regelmäßig am Sekret, das in die Luftröhre gelangt, zu ersticken. Dann muss schnell gehandelt werden. Eine Absauganlage steht auch zu Hause dauernd neben ihm.

Vorläufig wird weiterbezahlt

Trotzdem hält die DAK aufgrund eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes, das nach Aktenlage erfolgte, die Krankenbeobachtung nicht für erforderlich. „In dieses Gutachten fließt alles ein, was an medizinischen Unterlagen vorhanden ist“, teilt die DAK auf Anfrage mit. Die Entfernung von Sekret aus dem Mund-Rachenraum sei der Grundpflege zuzurechnen. In der Pflegedokumentation seien weder Krampfanfälle noch Apnoen beschrieben, die ein sofortiges Eingreifen einer Pflegekraft erfordern würden.

Dieser Ansicht steht allerdings die Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart entgegen, das von den Eltern in der Sache angerufen wurde. In einer einstweiligen Anordnung bewilligte das Gericht die Finanzierung der Krankenbeobachtung bis Ende Juni. Die Kammer sah die Notwendigkeit einer ständigen Beobachtung der gesundheitlichen Situation von Dominik durch eine medizinische Fachkraft wegen der Gefahr von lebensgefährlichen Komplikationen. Die DAK stimmte schließlich in einem Folgeverfahren auf einstweiligen Rechtsschutz von sich aus einer weiteren Finanzierung bis zum Abschluss des Hauptverfahrens zu. Das dann ergehende Urteil wird, falls es nicht angefochten wird, entscheiden, ob Dominik auch zukünftig zur Schule gehen kann.