Grundschüler haben in Hannover aus Papier eine Moschee gebastelt. Islamische Religionslehre wird auch in Schulen auf den Fildern angeboten Foto: dpa

Bereits 86 Schulen in Baden-Württemberg bieten einen Extra-Religionsunterricht für Muslime an. Auch auf den Fildern wächst das Interesse. Eine Schule in Filderstadt macht bereits gute Erfahrung, eine Schule in Leinfelden will folgen.

Filder - Nächstenliebe, Toleranz, ein guter Umgang mit der Natur: Dies lernen muslimische Kinder an der Wielandschule in ihrem Religionsunterricht. „Das unterscheidet sich nicht groß vom katholischen oder evangelischen Unterricht“, sagt Schulleiterin Karin Genitheim. Eine staatlich anerkannte Lehrerin mit Zusatzqualifikation bietet das Fach „Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung“ dort seit drei Jahren an. „Muslimische Kinder erfahren so auch eine Werteerziehung und fühlen sich mit ihrer Religion ernst genommen“, sagt die Rektorin.

Die Sielminger Grundschule ist eine von zwei Schulen im Landkreis Esslingen, die an dem vom Land eingerichteten Modellprojekt teilnehmen. „Die türkischen Eltern sind sehr dankbar, dass wir das Angebot haben“, sagt Genitheim. Acht Anmeldungen waren damals mindestens nötig, um das Fach anbieten zu können. Der Zulauf war viel größer. „Wir hatten mehr als 30 Anmeldungen“, sagt sie.

Kein strafender Gott

Im ganzen Land bieten 86 Schulen das Fach an. Rund 6000 Kinder – vorwiegend Grundschüler – besuchen diesen Unterricht. „Der Landesregierung ist es wichtig, dass sich auch muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule mit ihrer Religion auseinandersetzen“, sagt Christine Sattler, eine Sprecherin des Kultusministerium. Die Schüler könnten sich so mit ihrer Identität und Herkunft beschäftigen. Das Modellprojekt läuft Ende des Schuljahres aus. Das Land gründet derzeit die Stiftung „Sunnitischer Schulrat“ welche die Trägerschaft des Religionsunterrichtes für die kommenden fünf Jahre übernehmen wird. Die Stiftung springt dabei in eine Lücke. Denn bisher gibt es keine anerkannte Religionsgemeinschaft, welche die Trägerschaft für das Fach übernehmen könnte.

In Sielmingen begrüßen und verabschieden sich die Schüler und ihre Lehrerin in diesem Fach auf Arabisch, ansonsten wird Deutsch gesprochen. Die Lehrerin trägt kein Kopftuch. „Sie spricht von einem hilfreichen und nicht von einem strafenden Gott“, sagt Genitheim. Die Unterrichtsinhalte gibt der Bildungsplan vor. „Man weiß also, was in dem Unterricht passiert. Es ist alles offengelegt.“ Und genau deshalb „habe ich mich für die Einführung dieses Religionsunterrichts an unserer Schule verkämpft“, sagt die Schulleiterin.

Wenn Eltern diese Inhalte zu wenig sind, müssten sie ihre Kinder zu Hause zusätzlich unterrichten. Auch das kommt vor: Ein Vater hat sein Kind nach einem Jahr wieder abgemeldet, weil ihm der Unterricht zu freiheitlich war.

Auf Wunsch einer Familie

Eine muslimische Familie hat den Anstoß gegeben, dass es einen solchen Religionsunterricht künftig an der Leinfelder Ludwig-Uhland-Schule (LUS) geben wird. Zumindest dann, wenn sich auch an dieser Schule mindestens acht Schüler für das neue Fach anmelden. Die Familie hat sich den speziellen Reli-Unterricht gewünscht. Schulleiterin Gabriele Roegers sagt: „Warum sollte diese Religionsgemeinschaft nicht auch einen Religionsunterricht haben?“ Auch das Kollegium und die Elternschaft waren dafür, das neue Fach einzurichten. Das staatliche Schulamt Nürtingen befürwortet das Vorhaben, verweist aber darauf, dass die Anmeldefrist für das kommende Schuljahr schon verstrichen sei. Will heißen, die LUS muss nun möglichst schnell einen Antrag stellen.

Das Gute: Nach einer Fachkraft muss nicht erst noch gesucht werden. An der Ludwig-Uhland-Schule gibt es bereits eine Kollegin, die eine entsprechende Lehrberechtigung hat. „Sie ist Muslima und hat an der Pädagogischen Hochschule eine Zusatzausbildung absolviert“, erklärt Gabriele Roegers. Und sagt: „Das ist ein glücklicher Zufall.“

Auch Stadt gibt grünes Licht

Seit Dienstagabend ist klar: Auch die Stadt L.-E. als Schulträger gibt grünes Licht. Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell sagte in der Sitzung des zuständigen Ausschusses: „Wir tun gut daran, diverse Glaubensrichtungen anzubieten.“ Ähnlich sahen dies auch viele Stadträte. „Die Lehrkraft ist lizenziert, die Unterrichtssprache ist Deutsch. Ich finde es wichtig, so etwas zuzulassen“, sagte Wolfgang Haug (FDP). „Ich halte das für eine gute Sache. Grundlage ist die Religionsfreiheit“, erklärte Eva Barth-Rapp (Grüne). „Bisher haben wir nur eine Richtung im Religionsunterricht – die christliche“, stellte Jens Zellmer (SPD) klar.

Ganz ohne kritische Töne ging der Punkt allerdings nicht durch. Einige Mandatsträger störten sich an dem Zusatz sunnitisch. Sie würden einen Ethikunterricht an den Schulen befürworten. „Ich erkenne die Not nicht, warum wir dies hopplahopp entscheiden sollen“, sagte Claudia Zöllmer (CDU). „Wie offen gestalten wir den Islamunterricht an Schulen?“, fragte Eberhard Wächter (FW). „Diese Trennung finde ich schade“, sagte Sabine Onayli (L.E. Bürger).