Die Bewohner an der Kirchheimer Straße in Sillenbuch gehören zu denen, die nachts mit Lärm kämpfen. Foto: Judith A. Sägesser

In Möhringen und Vaihingen ist es an den Hauptverkehrsachsen auch nachts relativ laut – während Birkach der zweitleiseste Bezirk Stuttgarts ist. Die Bezirksbeiräte wünschen sich mehr Tempo 30, um den Lärm in ihren Bezirken zu senken.

Filder - Als säße man auch nachts in der Kantine. Einen solchen Lärm erleben auf der Filderebene jede Nacht rund 15 000 Menschen. An rund 80 Kilometern Straßen herrscht nachts durchschnittlich eine Lärmbelastung von mehr als 60 Dezibel – was in etwa Kantinenlärm entspricht. 2400 Menschen erleben sogar eine Lärmbelastung von mehr als 65 Dezibel nachts. Das geht dann schon in die Richtung von Fernsehgeräuschen oder Schreien.

Am Mittwochabend hat die Stuttgarter Stadtverwaltung im Bürgerhaus Möhringen den Bürgern und Bezirksbeiräten von Möhringen, Vaihingen, Degerloch, Sillenbuch, Plieningen und Birkach den Lärmaktionsplan vorgestellt. Dafür wird die Lautstärke in ganz Stuttgart zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens berechnet. „Der Straßenverkehr ist der größte Lärmfaktor“, sagte Thomas Schene vom Amt für Umweltschutz. Dahinter komme die Eisenbahn, Stadtbahn, der Flughafen sowie die Industrie.

Die Innenstadtbezirke sind am lautesten

Im Vergleich zum gesamten Stadtgebiet stehen die Filderbezirke insgesamt aber ganz gut da. Am lautesten sind die Innenstadtbezirke sowie Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen. Vaihingen und Möhringen stehen mit jeweils 250 Menschen, die nachts unter einem Lärmpegel von mehr als 60 Dezibel leiden, im Mittelfeld. Degerloch, Plieningen und Sillenbuch sind im hinteren Drittel der Bezirke gelistet, die am lautesten sind – und Birkach ist hinter Münster der zweitleiseste Stadtbezirk.

Die Lärmschwerpunkte liegen vor allem an den Durchfahrtsstraßen in den Bezirken. Mehr als 65 Dezibel berechnet wurden ausschließlich an der Oberen Weinsteige in Degerloch. Zwischen 60 und 65 Dezibel Lärm haben die Experten an der B 27 und der Jahnstraße berechnet. Genauso laut ist es nachts in Vaihingen an der Hauptstraße, der Möhringer Landstraße, der Robert-Koch-Straße sowie der Gründgensstraße – allerdings wurde dies berechnet, bevor dort Ende 2015 die Lärmschutzwand aufgestellt wurde. In Möhringen ist es an der Vaihinger, Sigmaringer, Plieninger und Hechinger Straße besonders laut, zudem an der Stadtbahnstrecke vom Möhringer Bahnhof bis zur Vaihinger Straße. In Sillenbuch leiden vor allem die Bewohner der Kirchheimer Straße unter großem Lärm, in Plieningen jene an der Filderhauptstraße.

„Die Maßnahmen gegen den Lärm laufen oft sehr schleppend“

Der Lärmaktionsplan der Stadt soll verschiedene Maßnahmen bündeln, die diesen Lärm mindern. Bereits umgesetzt wurde etwa das Durchfahrtsverbot durch Stuttgart für Lastwagen mit mehr als 3,5 Tonnen, leisere Fahrbahnbeläge oder Tempo 40 an der Fasanenhofstraße. „Insgesamt muss man sagen, dass die Maßnahmen oft sehr schleppend laufen“, sagte Schene. Dies liege vor allem an den hohen Kosten. „Allerdings kostet auch der Lärm: In Stuttgart werden die Kosten, die durch medizinische Behandlung von lärmbedingten Krankheiten entstehen, auf 17 Millionen Euro geschätzt.“

Zusätzlich zum Lärmaktionsplan hat die Stadt einen sogenannten Aktionsplan „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ aufgesetzt. Dieser beinhaltet unter anderem den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die weitere Förderung der Elektromobilität sowie der Radwege. Mit diesen Maßnahmen will die Stadtverwaltung den klassischen Autoverkehr, in dem pro Fahrzeug lediglich eine Person sitzt, um 20 Prozent senken. Derzeit hat mehr als jeder zweite erwachsene Stuttgarter ein eigenes Fahrzeug.

Viele Bezirksbeiräte wünschen sich Tempo 30

Bei der anschließenden Diskussion mit den Bezirksbeiräten wurden Zweifel an diesen Maßnahmen laut: So sagte beispielsweise der Vaihinger Bezirksbeirat Gerhard Wick (SÖS/Linke-plus) ganz klar, dass er nicht an den Erfolg glaube. „Ein großer Teil derjenigen, die in Stuttgart arbeiten, werden auch weiterhin mit dem Auto zur Arbeit kommen.“ Der öffentliche Nahverkehr in der Region rund um Stuttgart sei nicht ausreichend ausgebaut.

Viele Bezirksbeiräte regten an, das Tempo auf verschiedenen Straßen in den Bezirken zu mindern, da dies die meiste Lärmentlastung bringe. Die Degerlocher Bezirksbeirätin Astrid Maurer (Grüne) fragte etwa, warum auf der Jahnstraße und der Hoffeldstraße nicht Tempo 30 gelte. Edgar Riester vom Amt für öffentliche Ordnung meinte daraufhin: „Es ist generell vom Bund her vorgegeben, dass innerorts Tempo 50 gilt.“ Seit Kurzem sei es zwar leichter, vor Gebäuden wie Schulen oder Kindergärten Tempo 30 umzusetzen – aber es sei nicht möglich, beliebig immer wieder Straßen in Tempo-30-Abschnitte umzuwandeln. Generell erarbeite die Stadtverwaltung aber derzeit ein neues Geschwindigkeitskonzept für Hauptverkehrsstraßen, ergänzte Schene.