Brand im ICE am Freitagmorgen: Großeinsatz der Feuerwehr auf der Bahn-Schnellstrecke Frankfurt-Köln Foto: dpa

Mehr als 500 Fahrgäste haben am frühen Freitagmorgen auf offener Strecke wegen eines Feuerausbruchs den Zug verlassen müssen. Experten loben die Rettungsaktion, sehen aber Sicherheitsrisiken.

Köln - Die Bahn gilt als sehr sicheres Verkehrsmittel. Die zwei am Freitagmorgen ausgebrannten Wagen des ICE 511 und die Evakuierung von mehr als 500 Fahrgästen auf freier Strecke zwischen Siegburg und Montabaur werfen in Fachkreisen jedoch kritische Fragen auf. Noch ermitteln die Behörden die Ursachen. Fünf Menschen wurden leicht verletzt. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke Köln-Frankfurt ist vorerst gesperrt und der Zugverkehr beeinträchtigt.

„Das war Glück im Unglück“, sagte ein Lokführer unserer Redaktion, der seit Jahrzehnten selbst die Flaggschiffe der Deutschen Bahn AG fährt und ungenannt bleiben will. „Hätte der Zug in einem der Tunnel auf der Schnellfahrtstrecke nothalten müssen, wäre es wegen des starken Feuers und der massiven Rauchentwicklung zur Katastrophe gekommen.“ Auch die 250 Feuerwehrleute seien erheblichen Gefahren ausgesetzt gewesen.

Nach bisherigen Erkenntnissen brach das Feuer am Ende des ICE 511 aus, der noch vor Tagesanbruch mit bis zu Tempo 300 auf dem Weg von Köln nach München war. Ein Bundespolizist, der an Bord war, bemerkte nach Angaben der Polizei Koblenz die Rauchentwicklung, zog die Notbremse und organisierte auch die rasche Evakuierung mit.

Die Reisenden wurden zunächst im nahegelegenen Dierdorf betreut

Der ICE wurde nach Informationen des Lokführers zunächst auf 160 km/h gebremst und kam an einer für die Rettungskräfte vergleichsweise gut zugänglichen Stelle zum Stehen. Bei einer Vollbremsung bei Tempo 300 hätte der Bremsweg mehr als vier Kilometer betragen. Die Reisenden wurden zunächst im nahegelegenen Dierdorf betreut und dann per Bus zur ICE-Station Montabaur gebracht.

Durch den Brand wurde ein Wagen vollkommen zerstört, zudem entstanden Schäden an Gleisen, Oberleitung und Signaltechnik. Die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU), die sich bei gefährlichen Ereignissen einschaltet, hat die Ermittlungen aufgenommen. Man unterstütze die Behörden, betonte die DB AG, die immer wieder mit technischen Problemen ihrer Zugflotte für Schlagzeilen sorgt. So mussten vor Jahren kollabierte Insassen wegen ausgefallener Klimaanlagen aus überhitzten ICE-Wagen geborgen werden. 2010 verlor der ICE 105 zwischen Montabaur und Limburg in voller Fahrt eine Tür, die gegen den entgegenkommenden ICE 612 prallte. Die Folge: sechs Verletzte.

2008 entgleiste der ICE 518 im Hauptbahnhof Köln wegen Achsenbruchs, der zuvor ebenfalls mit Tempo 300 mit defektem Rad aus Frankfurt gekommen war. 2001 brannte bei Hanau der Triebkopf eines ICE 1, das Feuer wurde zunächst nicht bemerkt. 1998 starben beim bisher schlimmsten Unglück eines ICE bei Eschede 101 Menschen, Ursache war der Bruch einer Radscheibe. Nach diesen Vorfällen wurde die Sicherheit in vielen Bereichen verbessert.

Die deutschen Züge gelten international eigentlich als vorbildlich

Die deutschen Züge gelten im internationalen Vergleich als vorbildlich, der neue ICE 4 der DB setzt neue Standards auch beim Brandschutz. So gibt es zahlreiche Rauchmelder an Bord, damit der Zugführer gefährliche Probleme schnell erkennen kann. „Leider fehlen solche Detektoren bei der bisherigen ICE-Flotte“, kritisiert der Lokführer.

Lediglich beim ICE 1 und 2 seien einige Rauchmelder nach dem Brand 2001 in Hessen nachgerüstet worden. Beim ICE 3 mit seinen verteilten Antrieben fehlten die Detektoren und auch wünschenswerte Löscheinrichtungen an den Schwachstellen; diese Züge seien seit fast 20 Jahren unterwegs, inzwischen sehr anfällig und für die überlasteten DB-Reparaturwerke besonders wartungsintensiv.

Ein überhitztes Radsatzlager könnte das Feuer ausgelöst haben

In Fachkreisen wird vermutet, dass ein überhitztes Radsatzlager des ICE-Wagens das Feuer ausgelöst haben könnte. Beim ICE 3 sind die leistungsstarken Elektroantriebe mitsamt Trafos und Ölbehältern unterhalb der Wagenböden verteilt und werden mit Hochspannung versorgt, die über die Stromleiter auf dem Dach von zwei Wagen aus den Oberleitungen gezogen wird. Die schnelle Ausbreitung des Brandes und die massive Rauchentwicklung könnten auch an den vielen Kunststoffen liegen, die im Zug verbaut werden, vermutet der Lokführer, der selbst ausgebildeter Feuerwehrmann ist.

Der Fahrgastverband Pro Bahn lobt die schnelle und gelungene Evakuierung des ICE. „Am wichtigsten ist, dass keine Menschen schwerer zu Schaden kamen“, sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann unserer Redaktion.