Fettes Brot in der Stuttgarter Porsche-Arena. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt/Christoph Schmidt

Im Hip-Hop älter zu werden, ist für Musiker gar nicht so einfach: So geht es in Stuttgart auch Fettes Brot. Während Hits wie „Emanuela“ oder „Erdbeben“ zeigen, wie gut die Band eigentlich sein kann, scheitert das Hamburger Trio daran, sich neu zu verorten.

Stuttgart - Irgendwann kommt wohl jeder mittelalten Hip-Hop-Band die erschreckende Erkenntnis, dass sie jungen Frauen im Club jetzt langsam beibringen müssen, dass sie eigentlich auf deren Mütter stehen.

Das Hamburger Trio Fettes Brot, das inzwischen seit knapp 30 Jahren gemeinsam auf der Bühne steht, hadert damit selbstironisch im Song „Deine Mama“ – Teil des aktuellen Albums „Lovestory“, das sich unter anderem mit dem Altern in der immer jungen Welt des Raps beschäftigt. Allein: So richtig wissen die drei da scheinbar auch nicht, wohin mit sich.

In den 90er Jahren prägten sie den Hamburger Sound

In der Porsche-Arena war der Spagat zwischen gestern und heute am Montagabend fast schon Teil des Bühnenbilds: Links hinter den Musikern blinkte der Schriftzug „Schwule Mädchen“, einer der größten Erfolgstitel der Band. Rechts von ihnen prangte der aktuelle Songtitel „Robot Girls“ – zwei Lebenswelten als Leuchtstoffröhrendeko. Davor mühten sich Doktor Renz, König Boris und Björn Beton sichtlich ab, die Leichtigkeit von damals auch im Jetzt wiederzufinden. Schließlich prägte die Band in den 90er Jahren jenen identitätsbeladenen Sound mit, der sperrige deutsche Wörter plötzlich klingen lassen konnte wie eine geschmeidige Kunstsprache.

In Stuttgart hängen sie zu sehr an der Vergangenheit

Das Set, das die Zuschauer an diesem Abend zu hören bekommen, klammert sich jedoch so sehr an diese glorreiche Vergangenheit, dass die aktuellen Stücke zwischen altbekannten Hits wirken wie kantige Fremdkörper, die den Künstlern selbst etwas unheimlich sind. Viele der Songs klingen auf der Bühne angestrengt, vorsichtig. Fast so, als müssten die Musiker sie selbst erst noch mal richtig anprobieren. Bei „Geile Biester“ zum Beispiel lassen die drei das Publikum abwechselnd „Wau“ und „Miau“ singen – doch als das nicht so richtig funktionieren will, spricht man zum Ausgleich lieber schnell wieder über Buttplugs und Penisse. Ähnlich gesichtslos wirken Titel wie „Denxu“ oder „Robot Girls“.

Nostalgie: top!

Sobald hingegen der Nostalgie-Faktor greift, funktioniert der Abend musikalisch reibungslos. In diesen Momenten – und es sind einige – entsteht eine Dynamik, die daran erinnert, wie gut diese Band sein kann: Bei „Erdbeben“ und „Schwule Mädchen“ fließen die Zeilen noch immer herrlich leicht ineinander. Bei „Jein“ ist der Beat immer noch so auf den Punkt, dass der Song eine enorme Schlagkraft entwickelt. Und selbst ein Billie-Eilish-Einspieler bei „Emanuela“ trifft mit einem Mal punktgenau.

Und obwohl die meisten der 3500 Fans am Ende des Konzerts so sicher beseelt und mit dem warmen Gefühl schöner Erinnerungen nach Hause gehen konnten, offenbarte das Konzert zumindest für Fettes Brot selbst ein Problem: Denn es ist inzwischen einfach nicht mehr 1996. Und künstlerisch braucht auch die beste Band irgendwann die Jahrtausendwende.