Gruppenbild bei der offziellen Eröffnung des Dorotheen-Quartiers. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Mit 108 Tagen Verspätung inszenierte Breuninger nun einen standesgemäßen Festakt zur offiziellen Eröffnung des Dorotheen Quariers. Das Kaufhaus überbaute eigens dafür den kompletten Karlsplatz mit einer Zeltlandschaft für 500 erlesene Gäste.

Stuttgart - In der Hotelbranche, aus der Ex-Breuninger-Chef Willem G. van Agtmael stammt, nennt man so etwas „Soft-Opening“. Langsam anlaufen lassen, dann gewaltig durchstarten. Nach dem holprigen Anlauf vor 108 Tagen im Mai nun also der Festakt zur Eröffnung des Dorotheen-Quartiers. Breuninger hat im Vergleich zu den Eröffnungen der Einkaufscenter Gerber und Milaneo tatsächlich einen höheren Polit-Promi-Faktor und eine große Inszenierung auf dem Karlsplatz hingelegt: Neben Ministerpräsident Winfried Kretschmann, OB Fritz Kuhn, Verkehrsminister Hermann (alle Grüne) war auch EU-Kommissar Günther H. Oettinger (CDU) im Festzelt auf dem Karlsplatz dabei. Unter den 500 Gästen waren unter anderem die Bürgermeister Martin Schairer und Peter Pätzold, Vertreter des Gemeinderats, Unternehmer Hans Peter Stihl oder VfB-Präsident Wolfgang Dietrich.

Das Quartier kommt an

Das erste Wort hatte indes Breuninger-Chef Willy Oergel: „Als Stuttgarter Unternehmen war es unsere Vision, mit dem Dorotheen-Quartier ein urbanes Viertel mit hoher Aufenthaltsqualität zu schaffen und so einen wesentlichen Beitrag zur Stadtentwicklung zu leisten.“ Nach den ersten 108 Tagen gebe es „überaus positive Resonanz der Stuttgarter, Mieter und Kunden.“ Aber Oergel sparte auch nicht mit Kritik und sendete an die Politik einen Warnruf aus: „Die drohenden Fahrverbote und die negative Aufladung des Individualverkehrs bereiten uns ebenso Sorgen wie die Parkverbote.“ Wenn die City nicht mehr gut erreichbar sei, würden die Kunden auf andere Einkaufsorte oder das Internet ausweichen. „Dann“, so Oergel, „drohen Geschäftsaufgaben und der Verlust von Arbeitsplätzen. Daher sind ausreichende Parkplätze wichtig und unverzichtbar.“ Nach diesem Intermezzo fand der Breuninger-Chef jedoch sofort wieder seine Feierlaune, die die positive Grundstimmung im Quartier symbolisiert.

Atmosphäre steckt alle an

An diesem Stimmungsbild hat sich seit der Eröffnung nichts geändert. Beim Buchhändler Hugendubel wurden die Erwartungen sogar übertroffen: „Hier kaufen extrem nette Leute ein“, sagt eine Verkäuferin, „das mag an dem gehobenen Publikum liegen“. Auch die Geschäfte liefen gut. Doch alle Händler erwarten einen deutlichen Zuwachs, wenn nun die 1000 Büro-Arbeitsplätze besetzt werden. Die gute Stimmung der Kunden könnte auch eine Resonanz auf die Zufriedenheit des Ladenpersonals sein. „Durch das viele Glas haben wir hier immer Tageslicht, das ist ein wichtiger Faktor für die Qualität des Arbeitsplatzes“, sagt die Hugendubel-Verkäuferin. Ins gleiche Horn stoßen diejenigen, die zum Start im Mai wegen Bauarbeiten noch nicht dabei waren. Der Herrenausstatter Suitsupply etwa: „Wir sind sehr zufrieden.“ Auch das Möbelgeschäft Riviera Maison fühlt sich „gut angenommen“. Und bei Louis Vuitton bringt es die Managerin mit einem Wort auf den Punkt: „Super.“ Nur bei Tiger of Sweden meint man: „Es ist wie beim Metzger: Es darf noch a bissle mehr sein.“ Mehr Werbung, mehr Kunden.

Sitz von drei Ministerien

Das ändert sich vielleicht jetzt. Denn auch Kretschmann rührte die Werbetrommel: „Mit dem Dorotheen-Quartier ist ein zentrales Viertel in der Innenstadt neu interpretiert und damit zugleich lebendig urbanisiert worden“ sagte er, vergaß aber nicht, auf die Hinweise von Oergel einzugehen: „Mir ist es ein großes Anliegen, dass die Stadt wieder aus diesen Schlagzeilen kommt. Und ich verspreche: Wir werden dieses Schadstoffproblem lösen – möglichst ohne Fahrverbote. Daran habe ich ein vitales Interesse.“ Aber er sagte auch: „Gerade dieses Quartier ist ein weiterer Schritt hin zu einer Menschen gerechten Stadt. Ich hoffe, dass die Freiräume für Fußgänger weiter wachsen.“ Das Land ist im Übrigen Mieter im Dorotheen-Quartier – mit dem Verkehrs-, dem Sozialministerium und Teilen des Finanzressorts.

OB Kuhn: Belebung der City

In den Reigen der Lobeshymnen fügte sich Oberbürgermeister Fritz Kuhn nahtlos ein: „Das Dorotheen-Quartier ist geglückt. Es harmoniert mit seiner Umgebung wie zum Beispiel der Markthalle und wirkt, wie man auch in den Abendstunden beobachten kann, belebend.“ Auch Kuhn kam nicht umhin, auf die Themen Fahrverbote und den Abbau von Parkplätzen in der City einzugehen. „Selbstverständlich bleiben die Parkhäuser erhalten. Aber wir wollen keinen Parksuchverkehr.“ Dann wiederholte Kuhn noch das Mantra des Ministerpräsidenten: „Wir wollen eine Menschen gerechte Stadt.“ Ins Detail kann Kuhn am heutigen Freitagmittag gehen: Der OB und Willi Oergel haben sich zum Mittagessen verabredet.

Talk im Zelt

EU-Kommissar Günther H. Oettinger ist eng mit der Entwicklung des Quartiers verbunden. Ohne seine Hilfe wäre das Projekt vielleicht nie realisiert worden. Aber darüber sprachen van Agtmael und Architekt Behnisch bei einem Podiumsgespräch mit TV-Moderator Alexander Mazza nicht. Auf die Frage, warum ein privater Investor so stark Stadtentwicklung betreibe, sagte Oettinger: „Weil wir schließlich nicht in Nordkorea sind.“