Wie eine Wunde in der Landschaft: Seit 1922 wurde im Oeffinger Steinbruch gebaggert und gesprengt. Foto: Archiv

Das seit 1922 für die Produktion von Schotter und Kies genutzte Steinbruch-Areal ist zu einem 12,5 Hektar großen Naherholungsgebiet geworden – sehr zur Freude der unter Lärm, Staub und Sprengungen leidenden Anwohner.

Oeffingen - Eine tiefe Wunde klaffte jahrzehntelang beim Fellbacher Stadtteil Oeffingen in der Natur. Der 1922 begonnene Steinbruchbetrieb der Firma Karl Epple hatte in Blickweite zur Siedlung eine von Kratern übersäte Mondlandschaft und schwindelerregend hohe Abbruchwände hinterlassen. Den Bewohnern von Oeffingen brachte das Lärm, Staub, Dreck und Lastwagenverkehr. Und weil Risse an Gebäuden auf die Sprengungen am Rand des Weidachtals zurückgeführt wurden, hoben Gegner weiland gar den „Verein der Steinbruchgeschädigten“ aus der Taufe, um juristisch gegen die Lasten des Gesteinsabbaus vorzugehen.

Inzwischen ist nichts mehr von dem zerklüfteten Gelände zu sehen

Inzwischen ist bei Oeffingen nichts mehr von dem zerklüfteten Gelände zu sehen, die Ausmaße des einst 12,5 Hektar großen Steinbruch-Areals sind für Orts-unkundige allenfalls zu erahnen. Statt einer Abbruchwand – der Vergleich der Luftbilder von 1955 und heute zeigt es deutlich – erhebt sich am Rand des Weidachtals der Oeffinger Berg. Aus einem Loch ist ein Hügel geworden, auf dem der aus Ostfildern stammende Tibor Wodetzky im Auftrag der Stadt seine Schafe und Ziegen weiden lässt. Erst im Frühjahr hat das Fellbacher Rathaus einen so genannten Krötenzirkel angelegt, um für Gelbbauchunken und Wechselkröten einen Ersatz-Lebensraum zu schaffen und sich Pluspunkte für die kommunale Öko-Bilanz zu sichern. Die grüne Oase wird von Joggern ebenso gern besucht wie von Spaziergängern, aus dem Steinbruch am Rand von Oeffingen ist ein weit über Fellbach hinaus bekanntes Naherholungsgebiet geworden.

Entstanden ist der Oeffinger Berg durch Auffüllung und Rekultivierung

Entstanden ist der Oeffinger Berg durch Auffüllung und Rekultivierung der ehemaligen Steinbruchfläche. 1978 hatte Epple die letzte Abbaugenehmigung erhalten. Mit der Erlaubnis zur Ausbeutung der Lagerstätte verpflichtete sich die Firma, die Wunde in der Landschaft nach Ende der Arbeiten zügig wieder mit Erdaushub zu schließen. Groß war deshalb die Empörung im Stadtteil, als in den 1990er Jahren durchsickerte, dass das Areal zur Wiederaufarbeitung von Bauschutt genutzt werden soll. An die 100 000 Tonnen pro Jahr , so die Pläne der Schotterunion Stuttgart sollten ins Oeffinger Loch gekarrt, zermahlen und als Recycling-material vor allem im Straßenbau wiederverwendet werden. Den Gedankenspielen mit dem Bauschuttrecycling erteilte die Stadt aber ebenso eine Absage wie der Nutzung des Steinbruchs als Schotter-Zwischenlager. „Hier geht’s um die Glaubwürdigkeit der Politik“, urteilte der frühere Fellbacher Baubürgermeister Eckhart Rosenberger über die Aussicht, die Oeffinger Bürger jahrelang vertrösten zu müssen.

Dass der Rekultivierungsplan für den Steinbruch dennoch geändert wurde, lag an einem von vielen Seiten als „Schnapsidee“ bezeichneten Vorschlag. Weil Deponie-fläche nicht nur im Rems-Murr-Kreis zur Mangelware wurde, sollte ausgerechnet auf den als besonders hochwertig bekannten Ackerböden des Schmidener Felds ein regelrechter Damm aus Erdaushub aufgeschüttet werden. Das sahen Pläne eines Pforzheimer Ingenieurbüros vor, insgesamt drei Standorte im Rems-Murr-Kreis sollten einen Buckel erhalten. Doch Fellbachs OB Friedrich-Wilhelm Kiel wetterte ebenso wie seine Amtskollegen aus Leutenbach und Alfdorf massiv gegen das„30 Meter hohe Riesen-Ei“ – und brachte als Kompromissvorschlag ins Gespräch, doch lieber das Loch im Oeffinger Steinbruch als Auffüllfläche zu nutzen – und den Hügel höher aufzuschütten als ursprünglich gedacht. Im Jahr 1997 bewilligte der Fellbacher Gemeinderat dem Steinbruchbetrieb ein zusätzliches Ablagerungs-kontingent von 210 000 Kubikmetern – auch wenn Bürgervertreter wie CDU-Stadtrat Paul Rothwein bemängelten, dass sich die Stadt bei dem Vertrag über den Tisch ziehen lässt.

Teilweise ist der Belag aus Erde und Bauschutt bis zu hundert Meter hoch

Nach den Plänen des Landschaftsarchitekten Hermann Eisele wurde das Gelände neu modelliert, teil-weise ist der Belag aus Erde und Bauschutt bis zu hundert Meter hoch. Maßgabe war, dass spätestens 2003 Schluss sein muss mit der Anfuhr von Material und sich das Gelände nur um etwa einen Meter über dem früheren Niveau hebt. Das Steinbruchareal ging mit dem Ende der Rekultivierung zum symbolischen Preis von einer Mark – umgerechnet 50 Cent – an die Stadt Fellbach über. Und schon 2009 erklärte CDU-Rat Franz Plappert den Oeffinger Berg zu seinem Lieblingsplatz: „Mich inspiriert der herrliche Weitblick vom Neckartal bis ins Remstal, vom Kappelberg bis zum Hartwald“, stellte er fest. Wie heikel die Gefühlslage beim Thema Steinbruch ist, zeigte sich freilich noch 2012, als es um neue Straßennamen im Oeffinger Baugebiet Langes Tal ging: Die Bezeichnung einer kleinen Stichstraße mit dem Namen „Am Steinbruch“ lehnte eine Mehrheit der Stadträte mit dem Verweis auf die „nicht so positiv besetzte“ Historie ab. „Das ist in Oeffingen nach dem ganzen Streit um die Sprengungen nicht vermittelbar“, befand Stadtrat Rothwein. So wurde aus der Straße „Am Steinbruch“ das „Talwegle“.