Die Robinie an der Bruckstraße wird abgeholzt. Foto: Gabriele Lindenberg

Die Robinie vor dem Bürofenster der Redakteurin Gabriele Lindenberg wurde abgeholzt. Jetzt gibt es keine Vogelgeschichten mehr frisch vom Ast.

Fellbach - Was war das für ein schöner Anblick. Jeden Tag fiel mein Blick , wenn er sich denn mal vom Bildschirm löste, auf die Robinie vor meinem Fenster. Tagein, tagaus, im Winter wie im Sommer war das Gewächs ein Ruhepol für die Augen. Doch nicht nur das, der Baum lieferte Schatten und Sichtschutz, sorgte für Sauerstoff, bot tierischen Besuchern Sitzplätze, Futter und darüber hinaus auch noch kostenloses Nistmaterial. Sogar mit gefiederten Geschichten hat mich „meine“ Robinie beliefert.

Eine Taube kann eine faule Sau sein

Vogelfreundliche Leser werden sich vielleicht sogar noch an „Möpschen“ erinnern. Das war der notorische Nesthocker, der dick und fett auf einem – stabilen – Ast saß und sich von seiner Mutter nach Strich und Faden verwöhnen ließ. Den Rest der Zeit hockte der dicke Täuberich herum, schonte seine Flügel und hielt ein waches Auge auf meine Arbeit. Ob er das im Auftrag meines Chefs tat, weiß ich bis heute nicht. Jedenfalls wurde mir damals klar, das eine Taube eine faule Sau sein kann.

Die Eichelhäher haben Sex in the City

Da war auch noch ein Eichelhäher-Pärchen – Klara und Eugen habe ich sie genannt. Die zwei haben im Nachbarbaum genistet und sich in meiner Robinie intensiv und kostenfrei mit Bau(m)material eingedeckt. Außerdem bekamen sie üppig Nüsse ausgelegt, auf dass ihr Nachwuchs prächtig gedieh. Das besondere an den beiden war, dass sie ziemliche Spätzünder waren, was die Fortpflanzung anging. Statt Ende April hatten sie Ende Mai Sex in the City. Nach zwei Jahren habe ich das Pärchen nicht mehr gesehen, vielleicht war Klara die Wohn- oder eher Nistlage zu laut.

Außerdem gab es da noch ein Tauben-Trio, das zwischen Geäst und Fenstersims gependelt ist: Die gaben zwar keinen Stoff für eine Geschichte her, aber so oft, wie die drei gekommen sind, haben sie Namen bekommen: Dickbacke, Fusselkopf und Magerchen hießen sie, natürlich ohne dass sie jemals darauf gehört hätten.

Der Mäusebussard zerpflückt sein Opfer

Dann gab auch noch ein Mäusebussard ein eintägiges Gastspiel. Der Raubvogel war wohl auf der Durchreise und hatte sich meine Robinie als Zwischenstopp auserkoren, um auf einem Ast sein Opfer zu zerpflücken. Aber da wollte ich dann nicht so genau hinsehen.

Ebenfalls nicht von Dauer war die Bekanntschaft mit einem Elsternpärchen. Die zwei freuten sich zwar über das Futter auf dem Fenstersims, das dort für sie auslag, aber nach einer Saison waren die beiden wieder weg, ohne eine Nachsendeadresse zu hinterlassen.

Ganz zu schweigen natürlich von den Generationen von Spatzen, Amseln und anderen gefiederten Gästen, die in der Robinie im Lauf der Jahrzehnte gerastet und gevespert haben. Sogar ein Eichhörnchen hat sich vor meinen Augen mal in die Krone geschwungen.

Keine flatterhaften Besucher mehr im Geäst

Und nun – alles weg. Keine grüne Erholung mehr fürs Bildschirm-strapazierte Auge, Beton statt Blätter, keine Blütenpracht im Frühjahr, keine flatterhaften Besucher im Geäst. Vogelperspektive künftig Fehlanzeige.

Mein Freund der Baum ist tot. Ich vermisse ihn!