Erfolgreiche FDP-Kandidatin: Katja Suding Foto: dpa

Nach dem überraschend guten Ergebnis der FDP in Hamburg feiern die Liberalen schon das Comeback. Welchen Anteil hat Parteichef Christian Lindner an dem Abschneiden im Stadtstaat, und welche Bedeutung hat der Erfolg für die Partei auf Bundesebene?

Hamburg/Berlin - Die schnellsten sind an diesem Abend die Liberalen: Drei Minuten nach Schließung der Wahllokale tritt die FDP-Spitzenkandidatin an der Elbe, Katja Suding, vor die Kameras. Sie lässt sich strahlend, aber stets hanseatisch kontrolliert bejubeln für ihr tolles Ergebnis.Das kann sie auch Sie hat alle Wahlziele erreicht: Wiedereinzug in die Bürgerschaft und das Ergebnis von 2010 auch noch übertroffen.

Hamburg „wieder für die liberale Idee begeistert“

Drei Minuten später kommt FDP-Chef Christian Lindner mit der gesamten Parteispitze ins Foyer der Berliner Parteizentrale. Natürlich feiert Lindner Suding. Sie habe eine rasante Aufholjagd hingelegt und Hamburg „wieder für die liberale Idee begeistert“. Aber damit hält er sich nicht lange auf. Für ihn ist Hamburg der erste Schritt zum Comeback.

Der Erfolg an der Elbe sei eben auch durch die neuartige Geschlossenheit der FDP zu erklären. Und: Die FDP sei runderneuert. Sie habe sich „selbst befreit vom Vorwurf des Opportunismus“. Die L:iberalen seien als „erneuerte Demokraten wieder auf dem Markt“. Lindner verbucht den Erfolg eben auch für sich.

Dabei waren die Ausgangschancen an der Elbe für ihn lange trübe. Noch vor sechs Wochen lag die HH-FDP bleiern bei zwei Prozent im Umfragetief. Die Partei an der Elbe war zerstritten. Der Landesverband war so zerrüttet, dass im Sommer die Landeschefin Silvia Canel entnervt die Brocken hinwarf und mit einigen anderen Abtrünnigen einen anderen Club aufmachte, die Neuen Liberalen.

Im November noch bot die Landespartei ein trostloses Bild, als Suding nur mit 70 Prozent zur neuen Landeschefin gewählt wurde. Drei Monate vor der Wahl eigentlich ein Misstrauensvotum.

Allenfalls Zwischenstation auf dem Weg zurück

Sie vermied es denn auch tunlichst, von einer Schicksalswahl zu sprechen. Dieses Wort bemühte Wolfgang Kubicki erst, als die Trendwende geschafft war. Nein, die Wahl an der Elbe war lange auch für Lindner allenfalls Zwischenstation auf dem Weg zurück. 2016 sollte, so sein Kalkül, zumindest der Wiedereinzug in den baden-württembergischen Landtag geschafft werden. Kein vermessenes Ziel, zumal die Liberalen im Südwesten traditionell stark sind. Mit dem Erfolg im Rücken sollte dann 2017 der Wiedereinzug im Bund geschafft werden.

Von Wiederauferstehung der Liberalen konnte auch bundespolitisch bis vor kurzem nicht die Rede sein. Die FDP war im Tal der Vergessenen. Medial hatte die rechtspopulistische AfD ihr den Rang abgelaufen. Irgendwann hat sich das Blatt gewendet.

Woran liegt es? Es mag Gründe geben, warum die ersten Wähler anfangen, einen Hauch von Sehnsucht nach der liberalen Stimme zu empfinden. Die Große Koalition verärgert viele, Unternehmer und Jüngere. Opposition machen im Bundestag nur zwei Linksparteien, Grüne und die Linke. Da kann man eine liberale Partei vermissen.

Bei der Hamburger FDP haben sie den Stimmungsumschwung anhand der eingehenden Spenden mitverfolgen können. Anfangs hatte Suding 150 000 Euro für den ganzen Wahlkampf eingeplant, die Hamburger – und da vor allem die Wirtschaft – spendeten dann aber so fleißig, dass letztlich 300 000 Euro zur Verfügung standen. Keine Partei hat in Hamburg so viel plakatiert wie die FDP.

Auf Bildung, Wirtschaft und Bürgerrechte konzentriert

Innerparteiliche Gründe kamen hinzu: Parteichef Christian Lindner hat nicht aufgegeben. Er hat der Partei mit der Farbe Magenta einen neuen Anstrich verpasst, sich auf Bildung, Wirtschaft und Bürgerrechte konzentriert und Eigenständigkeit betont. Die FDP ohne Bindestrich, nicht christlich-liberal, nicht sozial-liberal, nicht national-liberal, sondern einfach nur liberal. Und dann hat er auf seine Chance gewartet.

Dann muss man auch noch Fortüne haben. Der Schwenk des Kameramanns auf Katja Sudings Beine, übertragen in einer Hauptnachrichtensendung, die öffentliche Debatte darüber und ihre lockere Art, darauf zu reagieren, damit ging es los, es wurde immerhin wieder über die FDP gesprochen. Eine günstige Gelegenheit, sich kämpferisch zu zeigen, bot sich Lindner mit dem Zwischenruf aus SPD-Reihen bei seiner Landtagsrede zum Unternehmertum. Lindner legte eine Wutrede hin, die im Netz pausenlos geklickt wurde.

Jedenfalls kletterte die Hanse-FDP in den Umfragen nach oben, so dass in der letzten Woche das große Wahlziel von Suding irgendwann greifbar war:das alte Ergebnis von 6,7 Prozent zu toppen.

Unfreiwillige Motivation der potenziellen FDP-Wähler

Für die letzte Stimmungsaufheiterung bei den Liberalen haben ausgerechnet die alten Rivalen von den Grünen gesorgt, die als „Klimaverbesserer“ in Hamburg um die Gunst der Wähler gekämpft haben. Sie klebten am Donnerstag auf ihre Großplakate in Hamburg: „Verhindert Rot-Gelb. Jede Stimme für Grün.“

Die FDP-Strategen konnten ihr Glück kaum fassen: Die Grünen werten die FDP damit auf, allein, dass sie sie auf ihren eigenen Plakaten erwähnen. So muss man es machen, wenn man die FDP-Sympathisanten motivieren will, es den Grünen in der Wahlurne einmal richtig zu zeigen.

Und nun? Klar, in Hamburg auf die Regierungsbank zu wechseln, das wäre der Hauptgewinn. Wahlsieger Scholz hatte vor der Wahl schon heftig abgewunken und eher Richtung Grüne geschaut. Ob das in den nächsten Tagen und Wochen so bleibt, muss abgewartet werden.Womöglich gefällt es Scholz auch, freundliche Worte mit Frau Suding auszutauschen. Auch das würde die FDP weiter aufwerten.

Parteichef Lindner triumphiert, jetzt sieht es so aus, als hätte er alles richtig gemacht. Hamburger als „Eisbrecher-Wahl“ für das Comeback der Liberalen im Bund? Noch wäre diese Behauptung verfrüht. Festzuhalten ist, dass zumindest die Kanzlerin die wiederbelebte FDP auf dem Zettel haben dürfte. Man erinnere sich an den Bundesparteitag der Union im Dezember in Köln. Ohne Not hatte Merkel da davon gesprochen, dass die FDP nach wie vor der natürliche Koalitionspartner sei. Und SPD-Chef Sigmar Gabriel betont ohnehin immer wieder, dass er mit den Liberalen regieren könne.

So kann es gehen. Wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Für die FDP ein Nordlicht. Ein schwaches, aber wenigstens mehr als das schwarze Nichts, in das die Partei seit der Bundestagswahl geblickt hat.