Sie können es, und sie zeigen es auch: die Fanta-Vier-Rapper Smudo, Thomas D und Michi Beck (von links) am Samstagabend in der Schleyerhalle Foto: Lichtgut/Julian Rettig

14 000 Besucher haben beim Heimspiel der Fantastischen Vier in der Schleyerhalle genauso viel Spaß gehabt wie die Band selbst

Stuttgart - Fast 30 Jahre sind vergangen, seitdem sie zusammen fanden. Jeder, der sich am Samstag in der Schleyerhalle drängt, ob jung oder alt, ist mit ihrer Musik groß geworden, kennt ihre Hits. Knapp 14 000 Menschen sind es an diesem ersten Abend, nochmal so viel werden es am Sonntag sein: Stuttgarts erfolgreichste Formation zwischen Hip Hop und Pop ist zurück in der Heimat, feiert mit alten Hits, neuen Stücken und einem Publikum, für das diese Party ein vorgezogenes Weihnachtsfest ist.

„Captain Fantastic“ heißt das jüngste, zehnte Album von Smudo, Thomas D., And.Ypslion und Michi Beck, veröffentlicht im Frühjahr. Die 1989 gegründeten Fantastischen Vier sind längst hochprofessionelle Entertainer, stilsicher auf ihrem eigenen Terrain und gut gelaunte große Buben geblieben. In der ausverkauften Schleyer-Halle feiern sie eine laute, wilde und dynamische, manchmal ein wenig versponnene Party. Alle haben sie die magische Lebensziffer von 50 Jahren überschritten außer Thomas D., der am Tag vor Silvester diesen Geburtstag feiern wird, und der, im Gegensatz zu Smudo, den Vorteil hat, dass er kein Haupthaar trägt, das sich lichten könnte.

Thomilla freut sich über die große Kulisse

DJ Thomilla ist es, der für die Fantas anheizt. Auch er kommt aus Stuttgart und tritt sonst mit Michi Beck im Duo auf unter dem Namen Turntablerocker. Er freut sich, erstmals in der großen Halle zu spielen, schickt Beats und Samples hinaus, mischt auch die Stimmen von anderen Deutschrappern darunter. Das Logo des neuen Fanta-Albums, ein Quadrat mit illusionär kippenden Perspektiven, leuchtet schon über Thomilla.

Dann sind sie plötzlich da. Die Fantastischen Vier stehen vor dunkel funkelnden Bildwänden voller Sterne, Silhouetten mit verschränkten Armen, wartenden Krieger gleich. Dann erwachen die regungslose Statuen zum Leben, springen über die Bühne, tanzen in alle Richtungen, heben die Arme, strecken die Hände, nicken mit den Köpfen. Nur einer der Vier, And.Ypsilon, bleibt wie gewohnt im Hintergrund, singt am Pult, sorgt für die Elektronik.

Die Bühnenbeleuchtung ist bombastisch

Die Fantastischen Vier beginnen ihre Show mit dem Titelsong des aktuellen Albums, und „Captain Fantastic“ ist nichts weniger als optimistisch – kaum je ließen die Fantas sich mehr auf das politische Zeitgeschehen ein: „Alle mosern nach oben, werden belogen“, so rappen sie, „von Posern und Doofen, die hetzen und drohen.“ Später dann werden sie mit der „Endzeitstimmung“ zum Thema zurückkehren, aber zunächst fliegen die scharfen Zeilen im Eiltempo vorbei, gehen über in „Fantanamera“, eine Hymne auf die Band selbst.

Im Oktober 2018 wurden die Fantastischen Vier als Wegbereiter des deutschsprachigen Hiphop ausgezeichnet mit dem Jacob-Grimm-Preis für Verdienste um die deutsche Sprache – nun kehren sie alliterationsreich zu ihren Ursprüngen zurück: „Früher konnten sie nichts mit den Fantas anfangen“, rappen sie da – „Sie hielten uns für die Falschen, doch wir flashten zusammen.“ Sie erzählen ihre Geschichte kein bisschen bescheiden. „Bring it back the old Stuttgart Rap“, wünschen sie, zuvor noch fragen sie: „Was geht?“ Die ersten Songs rauschen als schnelles Medley vorbei. Vielschichtige Lichtgrafiken überlagern die Bühne, schwimmende Formen, Kreise, Quadrate in malerischer Farbsättigung. Bildwände links und rechts schauen den Rappern in kühlem Schwarzweiß zu. „Aller Anfang ist Yeah“, singen sie, und das Publikum, das schon bei Thomilla getanzt, hat, bleibt in Bewegung. Es feiert den Hit „Sie ist weg“, und das frühe „Jetzt geht‘s ab“, das hält, was der Titel verspricht. Mit „Die da“, ihrem ältesten Hit und Ohrwurm, wecken die Vier kollektive Erinnerungen.

Bei der letzten Zugabe: goldenes Lametta

Nach „einer Stunde Hardcore-Rap“ wollen die Fantastischen Vier sich dann aber erst einmal setzen. Sie holen sich eine Wavedrum, ein rundes elektronisches Percussioninstrument. „Wir benutzen sie schon sehr lange“, verraten sie; zuvor, das behaupten sie, drehte sich die Trommel auf den Stuttgarter Hauptbahnhof.

Ein entspannter Zwischenteil beginnt, die Bühne liegt unter halluzinogenen Formen, es klingt funky. Langsam zurück ins schnelle Tempo finden sie mit „Tunnel“, einem finsteren Lied, das irgendwie auch nach Stuttgart klingt, und mit „MfG“. Dann die erste Konfettiexplosion – „25“ heißt der Song und zitiert ein wenig The Catch. Schließlich das goldene Lametta bei der letzten Zugabe.

Nebenan erlebte der VfB Stuttgart am Samstag keine Sternstunde – aber die Fantastischen Vier, Söhne der Stadt, feiern dennoch. Michi Beck trägt plötzlich eine Mütze, auf der der Logo des Vereins seitlich prangt, Smudo wickelt sich einen Schal um den Hals. Der Song mit dem die Fantas sich verabschieden, hat an diesem Abend doppelte Bedeutung, er gilt nicht nur ihren Fans: „Ihr hattet schlechte Zeiten, wir waren auch dabei. Wir werden euch begleiten, wir bleiben troy.“