Patchworkfamilien haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Bedarf an Erziehungshilfe. Foto: dpa

Immer mehr Familien in Stuttgart müssen Hilfe für die Erziehung in Anspruch nehmen. Besonders gefährdet sind Hartz-IV-Haushalte, Patchworkfamilien und Alleinerziehende.

Stuttgart - Die Zahl der Familien, die Hilfen zur Erziehung in Anspruch nehmen, nimmt zu – besonders in Stuttgart. Dort sind die Fallzahlen von 2011 bis 2017 im ambulanten und teilstationären Bereich um 19 Prozent gestiegen – landesweit nur um 10 Prozent. Als Gründe nennt Ulrich Bürger vom Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS) einen Wandel in den Rahmenbedingungen des Aufwachsens für viele Kinder und Jugendliche.

Besonders hoch sei die Wahrscheinlichkeit für die Inanspruchnahme von Erziehungshilfen bei Hartz-IV-Familien oder wenn Kinder bei suchtkranken Eltern aufwachsen. „Im wohlhabenden Stuttgart lebt jedes siebte Kind an der Armutsgrenze“, so Bürger. Ebenfalls besonders stark betroffen seien Kinder in einer Stiefelternkonstellation, so Bürger. Denn diese müssten nicht nur die Trennung der Eltern verkraften, sondern auch, „dass der Elternteil, der als Anker fungiert, sich jemand anderem zuwendet – für Kinder ist das bedrohlich“. Kinder inszenierten Konflikte, um Grenzen und Zuwendung auszuloten. Zugleich sei Trennung „eines der größten Armutsrisiken“.

Hohe Nachfrage bei der Erziehungsberatung

Besonders deutlich zeigt sich die Veränderung in Stuttgart bei der sozialpädagogischen Familienhilfe. Dort sind die Fallzahlen im gleichen Zeitraum um 68 Prozent gestiegen: 863 Fälle listet der KVJS im Jahr 2017 auf. Auch die Erziehungsberatung wird häufiger nachgefragt: In Stuttgart stieg der Bedarf im genannten Zeitraum um 20 Prozent: Für 2017 listet der KVJS 2171 Fälle auf. Landesweit stieg der Anteil nur um fünf Prozent.

Zugleich wurden die stationären Erziehungshilfen zurückgefahren. „Nirgendwo in Deutschland werden Kinder stationär außerhalb der Familien so wenig betreut wie in Baden-Württemberg“, erklärte Ulrich Bürger vom KVJS. Dies passierte in Stuttgart zugunsten des niederschwelligen Hilfebereichs. Dieser habe zwar in den Fallzahlen stark zugelegt, aber nicht bei den Ausgaben. Diese seien im Zeitraum 2011 bis 2017 in der Landeshauptstadt nur um drei Prozent gestiegen, bei den Stadtkreisen um 15 Prozent. Aber, so Bürger: „Geringe Ausgaben zu haben ist nicht der Benchmark für gute Jugendhilfe.“