Der Widerstand hält an: Wie geht es mit den Diesel-Fahrverboten weiter? Foto: dpa

Die Landesregierung lässt untersuchen, wie ein mögliches Euro-5-Verbot gestaltet sein müsste. Reichen einzelne Straßenzüge aus?

Stuttgart - Die nächste Stufe von Fahrverboten zur Luftreinhaltung in Stuttgart soll von 2020 an Dieselfahrzeuge mit der Euro-5-Norm betreffen. Sie stoßen im Schnitt sogar höhere Mengen an Stickstoffdioxid aus als die Diesel mit Euro-4-Norm. Auswärtige mit solchen Fahrzeugen sind schon jetzt vom Fahrverbot betroffen, Stuttgarter mit einem Diesel bis einschließlich Euro 4 vom 1. April an.

Die Christdemokraten in der Landesregierung haben ultimativ erklärt, dass es ein Euro-5-Verbot mit ihnen nicht geben wird. Ob diese Ansage bestehen bleibt, oder ob sie angepasst werden muss, können Gutachten klären. Das Verkehrsministerium hat Aufträge erteilt. Festgestellt werden solle „die Abgrenzung einer möglichen Verkehrsverbotszone“ und die weitere Ausgestaltung des möglichen Verbots. Es würden „aktuell mögliche streckenbezogene Verbote für Diesel mit Euronorm 5 untersucht“, teilt das Regierungspräsidium auf Anfrage mit.

„Möglich“ taucht sehr oft auf

Die Relativierung „möglich“ taucht in fast jedem Satz auf. Wichtig sei der Verlagerungsverkehr und seine Zulässigkeit. Würde die Verkehrsverlagerung zu höheren Werten oder gar einer erstmaligen Überschreitung des Grenzwertes führen, wäre sie unzulässig. Man darf das Problem nicht einfach ein paar Straßen verlagern.

Die Gutachter müssen etliche Parameter gegenüber ihrem im Jahr 2017 erstellten Wirkungsgutachten anpassen. So habe sich der Wechsel in der Dieselflotte in der Region Stuttgart hin zu Euro-6-Fahrzeugen beschleunigt, so Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Inzwischen erfüllten 52 Prozent aller Diesel die Euronorm 6, 27 Prozent Euro 5, und nur noch zwölf Prozent Euro 4. Die neuen Autos seien eine „sehr effektive Maßnahme zur Luftreinhaltung“. Dazu kämen Software-Updates, die aber noch bei 1,5 Millionen Fahrzeugen bundesweit nicht erledigt seien.

Die CDU frohlockt

Die CDU-Gemeinderatsfraktion begrüßte am Mittwoch die Entscheidung der Regierung, dass 16 P+R-Parkhäuser in Stuttgart nun wieder von Dieselautos bis einschließliche Euro 4 angefahren werden dürfen. Laut Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) genügt bei einer Kontrolle die Aussage, dass man auf dem Weg ins Parkhaus sei. „Auf Druck der CDU“ habe der Grüne Verkehrsminister Winfried Hermann „Teile seiner Fahrverbote“ zurücknehmen müssen, frohlockt die CDU. Es waren allerdings nicht nur Hermanns Fahrverbote – die CDU hatte diese erst gebilligt und anschließend gemeutert.

Stuttgarts CDU-Fraktionschef Alexander Kotz fordert die „unverzügliche Anwendung“ der neuen Regel, die – das hat das Verkehrsministerium am Mittwoch präzisiert – nur für Pendler von außerhalb gilt. Kotz wird erhört werden. Die nötige Allgemeinverfügung solle „so schnell wie möglich“ umgesetzt werden, sagt Hermanns Sprecher. Das Ministerium hat außerdem nun die 40 neuen Orte zur Stickstoffdioxidmessung in Stuttgart benannt. Der Grenzwert von maximal 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel wird sich nicht ändern, das haben gleich drei EU-Kommissare dem Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mitgeteilt. Vielmehr werde geprüft, ob die Grenzwerte „ausreichend streng“ seien.

SPD will günstiges Ticket für alle

Mehr Tempo wünscht auch die SPD, und zwar bei der Hardware-Nachrüstung für Euro-5-Diesel. Verkehrsverbote für diese Autos seien „nicht verhältnismäßig, wenn sich die technische Nachrüstung erst in der Entwicklung befindet, aber zeitnah am Markt verfügbar“, schreibt die Fraktion in einem Positionspapier.

Die Sozialdemokraten wollen außerdem den Nahverkehr stärken, und zwar in Städten mit einem zonalen Fahrverbot mit einem 365-Euro-Jahresticket im gesamten Verbund für alle, nicht nur für betroffene Dieselfahrer. Die Idee ist für Stuttgart nicht neu. Die SPD-Gemeinderatsfraktion will sie erneut zum Antrag erheben. „Kurzfristig soll es ein solches Ticket mindestens für Schüler und Studenten geben“, sagt Fraktionschef Martin Körner. Ziel sei die Vollabdeckung. Für die Finanzierung gäbe es zwei Möglichkeiten: Eine Abgabe der Arbeitgeber oder die Rücknahme der millionenschweren Grundsteuersenkung.