Temposünder sollten durch die neue StVO härter bestraft werden. Foto: Lichtgut/Leif-Hendrik Piechowski

Wegen eines Formfehlers muss die Neuregelung zu schärferen Strafen für Temposünder wieder außer Kraft gesetzt werden. Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann sieht die Länder damit vor juristischen Schwierigkeiten.

Berlin - Bei Bundesverkehrsminister Andres Scheuer läuft es einfach nicht rund. Das Debakel um die Einführung der Pkw-Maut klebt an ihm wie Motoröl, und jetzt muss sich der CSU-Politiker um den nächsten Großunfall aus seinem Haus kümmern: Eine vom Verkehrsministerium erarbeitete Verschärfung der Strafen für Vergehen im Straßenverkehr muss wegen einer Formfehlers nach nur kurzer Zeit wieder außer Kraft gesetzt werden. Da die strengeren Regeln aber schon seit Ende April galten, herrscht jetzt juristisches Chaos.

Scheuer hat kein Interesse an der Schuldfrage

Die mit den Ländern ausgehandelte Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) sieht einen neuen Bußgeldkatalog mit saftigeren Strafen vor. Demnach kann beispielsweise Autofahrern der Führerschein bereits für einen Monat entzogen werden, wenn sie innerhalb einer Ortschaft 21 Kilometer in der Stunde zu schnell gefahren sind. Außerorts droht das einmonatige Fahrverbot bei einer Geschwindigkeitsübertretung von 26 Kilometer pro Stunde. Bisher lagen die Grenzen bei 31 Kilometer pro Stunde im Ort und 41 Kilometer pro Stunde außerhalb. Diese Regelung zu den Fahrverboten steht jetzt aber wegen eines Formulierungsfehlers auf der Kippe.

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Das Bundesjustizministerium wirft Scheuer vor, die Verantwortung für die Panne zu tragen, da er den Entwurf mit einer zu kurzen Frist zur Prüfung verschickt habe. Der Verkehrsminister weist den Vorwurf zurück und möchte sich mit der Schuldfrage nicht aufhalten: „Jetzt geht es um Lösungen und nicht um Rückblick“, sagt er. Der CSU-Politiker will sich nun mit den zuständigen Ressorts der Länder zusammensetzen, um einen Ausweg aus dem Schlamassel zu finden. Dazu gehört für ihn auch, die auf heftige Kritik gestoßenen Bestimmungen zum Entzug des Führerscheins wieder zu kippen. „Ich will eine schnelle Lösung mit einer Richtigstellung und einem Zurück zur Verhältnismäßigkeit“, kündigt der Minister an.

Verkehrsminister Hermann ist genervt

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist schwer genervt von der Situation. „Das ist ein doppeltes Chaos: Erstens hätte Scheuer die Novelle der Straßenverkehrsordnung gar nicht erst verkünden dürfen, wenn er rechtliche Hindernisse gesehen hat“, sagte Hermann unserer Zeitung. „Zweitens stehen die Länder jetzt vor dem Problem, wie sie rechtlich verfahren.“ Bis eine juristisch sichere Neuregelung in Kraft ist, könnte es Herbst werden. Aber auf welcher Grundlage werden Vergehen auf der Straße bis dahin geahndet? Gilt die alte StVO mit dem alten Strafenkatalog? Oder wird die neue StVO angewandt, aber ohne die Regelung zu den Fahrverboten? Und wie werden Temposünder behandelt, die in der Zwischenzeit erwischt wurden?

Bundesweit dürfte es sich dabei um Zehntausende Fälle handeln. Stichproben in mehreren Kommunen ergaben nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums bei den Fahrverboten eine Steigerung von 300 bis 400 Prozent auf Grundlage der neuen Regelung. In Baden-Württemberg wurden in den Monaten Mai und Juni alleine auf den Autobahnen 35 000 Verstöße registriert, die den Entzug des Führerscheins nach sich ziehen, 5000 davon wegen der schärferen Bestimmungen. Erfahrungsgemäß machen die Verstöße auf den Autobahnen etwa ein Zehntel der Gesamtfälle aus.

Großzügige Übergangsregelung erwartet

Anfang nächster Woche wollen sich die Länder mit dem Bund darüber verständigen, wie die gemeinsame Rechtsdeutung für die Übergangszeit bis zu einer juristisch sauberen Neuregelung lautet. „Die wird aus meiner Sicht eher großzügig sein, sonst sehen wir uns sehr vielen Klagen gegenüber“, sagte Hermann. „Eine Möglichkeit wäre etwa, bestimmte Verstöße in der Übergangszeit nach dem alten Recht zu ahnden.“

Dann bleibt noch zu klären, ob der Strafenkatalog in Bezug auf die Fahrverbote wieder entschärft wird, so wie Scheuer es fordert. Die Grünen wollten schnell eine rechtssichere Neuregelung, sagte Hermann. „Dabei sind wir aber nicht bereit, von den endlich durchgesetzten Verschärfungen wieder Abstand zu nehmen, die ja der Verkehrssicherheit und dem Schutz von Menschenleben dienen.“