Beim Wahlkampf im Hessen hat Kanzlerin Angela Merkel, hier mit Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) ihren Vorschlag zu einer laxeren Handhabung der Schadstoff-Grenzwerte gemacht. Foto: dpa

Die Kanzlerin will bis zu zehn Prozent Überschreitung des Grenzwertes tolerieren, das Land sieht die Luftreinhaltung enger.

Stuttgart - Nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll es Fahrverbote trotz Überschreitung von Schadstoff-Grenzwerten dann nicht geben, wenn es sich bei den Stickstoffdioxid-Überschreitungen um einen „geringen Umfang, also bis zu 50 Mikrogramm handelt“. Der EU-weit gültige Grenzwert liegt bei einem Jahresmittel von 40 Mikrogramm. Nach Merkels Meinung wäre damit eine Überschreitung von 25 Prozent zu tolerieren.

So weit wie die Bundeskanzlerin ging die Landesregierung in der mündlichen Verhandlung über ein von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) beantragtes Zwangsgeld zum Fahrverbot nicht. Mit dem Zwangsgeld-Antrag sollte der Wille der Regierung befördert werden, im neuen Luftreinhalteplan ein Verbot auch für Euro-5-Diesel ab 1. September 2019 festzuschreiben. Die grün-schwarze Koalition verweigert dies. Sie will die Belastung Mitte 2019 an der Messstelle Neckartor abwarten und anhand der aktuellen Werte entscheiden, ob das Euro-5-Verbot doch kommt.

Stuttgart weit weg vom Grenzwert

Den „geringen Umfang“ einer Überschreitung, bei dem die baldige Einhaltung des Grenzwertes absehbar sein müsse, ein Fahrverbot also nicht mehr verhältnismäßig wäre, definiert die Landesregierung schärfer als Merkel. Ein Vertreter des Landes habe im Erörterungstermin am 28. Juni „zu erkennen gegeben, dass die Formulierung so gemeint sei, dass die Grenzwerte nur noch geringfügig, also in einer Größenordnung von unter 10 Prozent überschritten sein dürften“, heißt es auf Seite 18 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts zur Zwangsgeld-Androhung. Damit würde nicht bei 50, sondern bei 44 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft die Grenze für einen Eingriff in den Straßenverkehr gezogen. Der Jahresmittelwert lag, bezogen auf Ende Mai, am Neckartor bei 73 Mikrogramm. München erreichte 73, Darmstadt 72, Frankfurt, auf das sich Merkel bezog, 54 Mikrogramm.

Euro-5-Verbot droht

Vom beschlossenen stadtweiten Fahrverbot für Diesel bis einschließlich Euro 4 zum 1. Januar (Pendler) und 1. April 2019 (Stuttgarter) werden allein in Stuttgart laut den jüngsten Zahlen der Stadtverwaltung 23 760 Fahrzeughalter betroffen sein. Sollte das Fahrverbot auf Euro 5 ausgeweitet werden, würde dies in Stuttgart rund 27 000 Fahrzeughalter treffen.

Zum neuen Luftreinhalteplan liegen laut Regierungspräsidium 1500 Stellungnahmen vor, für den (zurückgezogenen) Entwurf aus dem Jahr 2017 waren es 200 gewesen. Der Plan soll im November final von der Koalitionsregierung abgesegnet werden und dann in Kraft treten.