Die Bahn hat 2017 in rund 1,5 Millionen Fällen Kunden entschädigt Foto: dpa

Verkehrsexperten im Europaparlament wollen die Rechte von Bahnkunden stärken. Bahnunternehmen sollen schon ab zwei Stunden Verspätung zahlen. Auch die Mitnahme von Fahrrädern soll erleichtert werden.

Brüssel - Wenn der Zug mehr als zwei Stunden Verspätung hat, sollen Bahnfahrer künftig den gesamten Fahrpreis zurückbekommen. Dies wollen die Verkehrsexperten im Europaparlament durchsetzen. Mit einer Mehrheit von 39 Stimmen bei zwei Gegenstimmen legten sie ihre Forderungen für die Überarbeitung der EU-weit geltenden Fahrgastrechte fest. Demnach sollen Bahnkunden bereits bei einer Verspätung von 60 bis 90 Minuten die Hälfte des Fahrpreises zurückbekommen. Bei einer Verspätung von 90 bis 120 Minuten sollen 75 Prozent erstattet werden. Die neuen Regeln sollen EU-weit für alle Schienenverkehrsunternehmen gelten, egal ob privat oder staatlich, regional oder international. Damit würden die Rechte der Bahnkunden in Deutschland deutlich gestärkt. DB-Kunden haben bislang nach 60 Minuten Verspätung Anspruch auf 25 Prozent Erstattung und ab 120 Minuten Anspruch auf 50 Prozent des Ticketpreises. Die Bahn hat 2017 in rund 1,5 Millionen Fällen Kunden entschädigt. Die Gründe dafür waren Verspätungen, Zugausfälle und weitere Ursachen. Insgesamt hatte die Bahn 2017 gut zwei Milliarden Fahrgäste.

Bahnunternehmen sollen sich zudem im Fall von Verspätungen künftig nicht mehr mit widrigen Umständen herausreden können. Höhere Gewalt soll nicht akzeptiert werden. Egal, was passiert, ob Sturm, Regen, Erdbeben oder Streik: Das Unternehmen muss haften und bei Verspätung die Kunden entschädigen. Die Verkehrsexperten wollen zudem Verbesserungen im grenzüberschreitenden Verkehr durchsetzen, indem es EU-weit „Durchgangsfahrscheine“ gibt. Das heißt: Künftig sollen Bahnkunden, die wegen einer Zugverspätung ihren Anschluss verpassen, im internationalen Verkehr auch die Züge von anderen Verkehrsunternehmen nutzen können. Bislang ist es zum Beispiel so, dass DB-Kunden, die in Köln wegen einer Zugverspätung ihren DB-Anschluss nach Brüssel nicht bekommen, zwei Stunden auf den nächsten DB-Zug warten müssen.

Wenn sie eine Stunde später den französischen Thalys nach Brüssel nutzen wollen, müssen sie das Ticket Köln– Brüssel aus eigener Tasche bezahlen. Künftig sollen diese Kunden Anspruch darauf haben, im Thalys mitzufahren. Die Bahnen in Europa sollen auch fahrradfreundlicher werden: Die Verkehrsexperten wollen durchsetzen, dass es künftig EU-weit in jedem Zug acht Plätze für die Mitnahme von Fahrrädern gibt.

Für Rollstuhlfahrer soll das Reisen einfacher werden.

Das Reisen per Bahn soll für Rollstuhlfahrer einfacher werden: Bei Bahnhöfen mit mehr als 10 000 Kunden am Tag sollen die Bahnunternehmen dazu verpflichtet werden, ohne vorherige Anmeldung des Betroffenen das Umsteigen zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass Rollstuhlfahrern künftig in Deutschland an so ziemlich jedem ICE-Halt das Umsteigen ermöglicht werden müsste. An Bahnhöfen mit 2000 bis 10 000 Kunden am Tag soll eine dreistündige vorherige Anmeldung ausreichen. Bei kleinen Bahnhöfen mit weniger als 2000 Fahrgästen am Tag soll die Anmeldefrist zwölf Stunden betragen. Auch das ist neu: Künftig sollen es Bahnunternehmen Kunden im Rollstuhl grundsätzlich an allen Bahnhöfen ermöglichen umzusteigen. Bislang passiert es Rollstuhlfahrern offenbar immer wieder, dass sie von dem Bahnunternehmen per Bus oder Taxi zu einem anderen Bahnhof gefahren werden.

Die neuen Regelungen treten frühestens 2020 in Kraft

So weit die Vorschläge der Experten. Im November stimmt das Europaparlament darüber ab. Dabei wird mit einer Zustimmung gerechnet. Danach müssen die Mitgliedstaaten zustimmen. Schon heute ist absehbar, dass die Verhandlungen zwischen Parlament und Mitgliedstaaten frühestens Ende 2019 beginnen können. Die neuen Regelungen werden frühestens 2020 in Kraft treten. Der Verkehrsexperte der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament, Dieter-Lebrecht Koch, begrüßt die Entscheidung: „Mit diesen neuen Regeln bringen wir die Eisenbahnverkehrsunternehmen dazu, pünktlicher und effizienter zu werden.“ Der grüne Verkehrsexperte Michael Cramer sagt: „Die perfekte Kombination Bahn und Rad scheiterte bisher am kleingeistigen Widerstand europäischer Bahnunternehmen. Mit fadenscheinigen Argumenten gegen Fahrradstellplätze in Zügen ist Schluss.“