Die Facebook-Seite der Gruppe "Polizeikontrollen Stuttgart" Foto: Screenshot

Facebook-Gruppe "Polizeikontrollen Stuttgart" boomt. Sperrung der Seite rechtlich unmöglich.

Stuttgart - Gefällt mir! Über 12.000 Mitglieder nutzen auf der Plattform Facebook die Warnmeldungen der Gruppe "Polizeikontrollen Stuttgart". Das Innenministerium des Landes und die Polizei würden dagegen am liebsten einen "Gefällt mir nicht"-Button anklicken.

Warnmeldungen per Smartphone oder Handy – ein neuer Trend setzt sich durch. "Wir sind davon jedoch alles andere als begeistert", sagt ein Sprecher des Innenministeriums mit einem Grummeln in der Stimme, "vor allem dann, wenn Autofahrer diese Information während der Fahrt abrufen. Dann wird es problematisch. Denn die Benutzung des Handys am Steuer ist verboten."

Über 12.000 Mitglieder in Stuttgart und der Region

Man kennt das ja: Private Radiosender, zum Beispiel Hit-Radio Antenne 1, warnen im Halbstunden-Rhythmus vor Radarkontrollen. Das hat manchen Autofahrer schon vor einer saftigen Geldbuße oder Punkten in der Verkehrssünderkartei in Flensburg bewahrt. Aber jetzt setzen soziale Netzwerke wie Facebook in ganz Deutschland noch einen oben drauf. Im Gegensatz zu den Radio-Meldungen warnen die Mitglieder auch vor Alkohol-, Drogen- und Verkehrskontrollen. Wer mit seinem Auto losfährt, wird auf diese Art umgehend bei einem Blick auf sein Smartphone vor Blitzern oder Laserkontrollen nach folgendem Muster gewarnt: "Remseck/Neckarrems, Marbacher Straße, kurz vor dem Ortsausgang, Tempo 30, Blitzer aus silbernem VW Caddy." Stichproben haben gezeigt: An den genannten Orten sind tatsächlich Blitzer aufgebaut.

Die Teilnahme auf dieser Facebook-Plattform ist einfach: Der Nutzer muss lediglich bei der Aktion auf den Button "Gefällt mir" klicken – und schon wird er in Zukunft auf seiner Pinnwand über neue Blitzer und Polizeikontrollen informiert.

Über 12.000 Mitglieder sind in Stuttgart und der Region seit dem Start im August schon dabei. Auch in Hamburg, München, Frankfurt am Main und vielen anderen Großstädten wurden solche Foren gegründet. Und es werden täglich mehr. Allen gefällt das Motto: "Seid ein wahrer Freund und Helfer – postet mobile Blitzer & Großkontrollen in Stuttgart und Umgebung." "Die Idee dazu kam, als einer von uns eine beträchtliche Zeit in einer Straßenkontrolle verharren musste und deswegen einen wichtigen Termin nicht wahrnehmen konnte. Und da dachte er sich: Mensch, hätte ich das bloß vorher gewusst", erklären die Initiatoren der Seite, die anonym bleiben wollen. Die Rückmeldungen, die sie bisher bekommen haben, seien durchweg positiv: "Wir scheinen damit ein wichtiges Bedürfnis der Bürger und Autofahrer zu erfüllen: Nämlich Informationen frei zugänglich und transparent zu machen."

"Wir glauben an den mündigen Bürger"

Die Polizei in Stuttgart hält das Ganze noch für "unattraktiv", wie ein Sprecher mitteilt: "Wer ist schon ständig im Internet oder ruft die Informationen vor jeder Fahrt auf seinem Smartphone ab?" Wahrscheinlich sind es mehr als der Polizeisprecher denkt. Ganz anders betrachtet das Innenministerium jedenfalls den neuen Trend. "Das ist der Lauf der Zeit, auch ein wenig ärgerlich", sagt ein Sprecher von Innenminister Reinhold Gall, "aber wir können es nicht verhindern." Eine Sperrung der Seite lasse sich rechtlich nicht durchsetzen, "es gibt keinerlei rechtliche Ansätze dafür".

Das ist auch aus Sicht der Initiatoren nicht nötig. Im Gegenteil. Sie glauben sogar einen gesellschaftlichen Auftrag mit ihrer Facebook-Seite zu erfüllen: "Aufklärung und Information sind in einer Wissensgesellschaft, wie wir sie in Deutschland haben, ein Bürgerrecht. Und wir glauben an den mündigen, selbstverantwortlichen Bürger. Wir wollen niemandem etwas auswischen – und es ist auch kein Protest gegen etwas. Wir sind für etwas. Nämlich für frei zugängliche und transparente Informationen."

Zudem sind die Betreiber und Mitglieder der Seite der Ansicht, dass solche Warnungen den Verkehr auch sicherer machen können. Schließlich geht jeder gewarnte Autofahrer vom Gas. "Wenn ein Service wie Polizeikontrollen den Effekt hat, dass die Autofahrer ihre Geschwindigkeit drosseln und ihr Fahrverhalten den Verkehrsregeln anpassen, tragen diese Informationen zu einer besseren Verkehrssicherheit bei. Was wiederum dem Gemeinwohl und damit auch der Polizei dient", sagen sie und ergänzen: "Wenn dann der Bürger auch noch Geld sparen kann, indem er vor Blitzer und Radar fallen gewarnt wird, haben alle etwas davon."