Isabel Schnabel (links) soll im EZB-Direktorium Sabine Lautenschläger ersetzen. Foto: dpa/Kappeler

Die Bundesregierung hat als Nachfolgerin für die scheidende EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger die Finanzprofessorin Isabel Schnabel nominiert. Die Wissenschaftlerin warnte kürzlich davor, die Notenbank zum „Sündenbock“ zu machen – unkritisch ist sie aber keineswegs.

Frankfurt - Das Verhältnis der Deutschen zur Europäischen Zentralbank (EZB) ist angespannt. Mit der Nominierung der Wirtschaftsweisen Isabel Schnabel für das EZB-Direktorium stellte die Bundesregierung am Mittwoch die Weichen für einen Neuanfang: Statt erneut eine Vertreterin der Bundesbank für das Leitungsgremium der EZB vorzuschlagen, wählte Berlin mit Schnabel eine vergleichsweise neutrale Persönlichkeit.

Bislang wird Deutschland im EZB-Direktorium von der ehemaligen Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger vertreten, die vor vier Wochen überraschend ihren Rücktritt zum Monatsende ankündigte. Zuvor hatte sich Lautenschläger, genau wie Bundesbank-Chef Jens Weidmann, gegen die Wiederaufnahme von Anleihekäufen durch die EZB gewandt.

Auch Schnabel beurteilt das gegen den Widerstand mehrerer nationaler Notenbanken beschlossene Kaufprogramm kritisch: „Ich hätte mir vorstellen können, dass man damit noch wartet“, sagte sie kurz nach der EZB-Entscheidung dem „Handelsblatt“. Zugleich warnte sie aber vor überzogener Kritik an der Notenbank: „In Deutschland wird die EZB, eine der wichtigsten europäischen Institutionen, ständig zum Sündenbock gemacht“, kritisierte die 48-Jährige.

Schnabel forscht zu Fragen der Finanzstabilität

Dass die Finanzprofessorin eine Vermittlerrolle einnehmen könnte, zeigt auch ein Kompromissvorschlag zur Reform der Eurozone, den Schnabel 2018 zusammen mit anderen Ökonomen veröffentlichte. Darin wurde einerseits eine strengere Überwachung der Haushaltspolitik aller Euroländer empfohlen, als Zugeständnis an Frankreich und andere Mittelmeerländer aber auch ein gemeinsamer Krisenfonds. Neben Schnabel haben diesen Vorstoß weitere namhafte Volkswirte aus Frankreich und Deutschland unterzeichnet, darunter die Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, und des Ifo-Instituts, Clemens Fuest.

Schnabel lehrt an der Universität Bonn. Dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, also den Wirtschaftsweisen, gehört sie seit 2014 an. Ihre Forschung befasst sich vor allem mit Risiken für die Finanzstabilität und mit der Regulierung von Banken. Deren Beaufsichtigung durch die EZB hat die Wissenschaftlerin in der Vergangenheit kritisiert.

Erstmals könnten zwei Frauen im EZB-Direktorium sitzen

Sofern die Finanzminister der übrigen Euroländer der Personalie zustimmen, werden dem EZB-Direktorium erstmals zwei Frauen angehören: die neue Präsidentin Christine Lagarde, die nächste Woche ihr Amt antritt, und voraussichtlich ab dem Jahreswechsel dann Schnabel. Welches Ressort die gebürtige Dortmunderin erhält, hängt von Lagarde ab. Bereits besetzt ist allerdings der Posten des Chefvolkswirts, den seit Juni der Ire Philip Lane innehat. Stellvertretender EZB-Präsident ist seit einem Jahr der Spanier Luis de Guindos. Für Rechtsfragen ist der Luxemburger Yves Mersch zuständig, der dem Direktorium noch bis Ende 2020 angehört.

Neu verteilt werden könnten neben den bisherigen Aufgaben Lautenschlägers, die zuletzt den Bereich Zahlungsverkehr und Statistik verantwortete, auch die Aufgaben von Benoît Cœuré. Der Franzose, dessen Amtszeit zum Jahresende ausläuft, kümmert sich um Marktoperationen – darunter auch die umstrittenen Anleihekäufe. Für seine Nachfolge hat die italienische Regierung Fabio Panetta nominiert, den Generaldirektor der Banca d’Italia. Somit werden dem EZB-Direktorium auch künftig Vertreter der größten Eurostaaten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien angehören. Die beiden verbleibenden Posten rotieren traditionell unter den kleineren Euroländern.