Linda Tschoder hat sich ein Hobby ausgesucht, in dem die Teilnehmer – mitunter gemeinsam – mächtige Hindernisse bewältigen müssen.Foto: Tough Mudder Foto:  

Beim Saisonauftakt der diesjährigen Tough-Mudder-Serie ist auch die 23-jährige Linda Tschoder am Start und erlebt das Gemeinschaftsgefühl bei einem Ausdauerspektakel der besonderen Art.

Fellbach/Hermannsburg - Die rosafarbenen Gelnägel sitzen wieder an ihrem angestammten Platz. Drei Tage hat Linda Tschoder auf ihren bevorzugten Körperschmuck verzichtet, denn ein sportliches Vorhaben der 23-Jährigen hätte ihm stark zugesetzt. Kräftiges Zupacken und vor allem viel Ausdauer und Härte gegen sich selbst ist für all jene unabdingbar, die sich an einen Tough Mudder wagen. Der Name des Extrem-Hindernislaufs ist dabei Programm, denn hart (englisch: tough) ist der Lauf durch den Schlamm (Mudder) allemal.

Der eigentliche Reiz entstand durch die ursprünglich 25 Hindernisse

Rund 15 000 Teilnehmer haben am Saisonauftakt der diesjährigen Tough-Mudder-Serie im nordrhein-westfälischen Hermannsburg teilgenommen und 15 Kilometer überwunden. Der eigentliche Reiz entstand durch die ursprünglich 25 Hindernisse, von denen zwei jedoch von den Organisatoren kurzfristig aus dem Programm genommen werden mussten. „Du bist wie ein Erwachsener auf dem Spielplatz“, sagt Linda Tschoder, die mit vier Freunden gemeinsam angetreten ist. Ohnehin ist bei dem Hindernislauf, für den es in der klassischen Variante keine Zeitmessung gibt, das Miteinander entscheidend. „Der Fokus liegt auf: Wir schaffen das gemeinsam“, sagt die im Fitness-Club Fellbach als Trainerin arbeitende Frau. Die Hindernisse sind so konzipiert, dass sie teilweise nur mit der Unterstützung von anderen Teilnehmern überwunden werden können. Startwellen von 220 Teilnehmern verhindern überlange Wartezeiten an den Hürden. Mudderhorn heißt beispielsweise ein haushohes Netz, an dessen Basis eine glatte Wand angebaut ist. Über sie gelangt man nur mit Partnerhilfe zum Kletterakt im Netz. Noch mehr persönliche Überwindung von den Läufern fordern Kiss of Mud 2.0, eine von mehreren Schlammgruben, und Arctic Enema, also die Eisgrube. „Ich war froh, dass wir 27 Grad hatten“, sagt Linda Tschoder hinterher.

Linda Tschoder Foto: Michael Käfer

Zehn neue oder zumindest veränderte Hindernisse haben sich die Mitarbeiter der veranstaltenden Tough Mudder GmbH für die erste von vier derartigen Veranstaltungen in diesem Jahr ausgedacht. Dabei wurde die Topografie des eher ländlichen Austragungsorts berücksichtigt. „Wir erwarten insgesamt in diesem Jahr 66 000 Teilnehmer“, sagt Laura Piehl, die bei der Tough Mudder GmbH für das Marketing zuständig ist. Sie vergnügen sich an Mutproben, die teilweise selbst auf den – ungleich kürzeren – Hindernisbahnen der Bundeswehr verpönt sind. Bei der Electroshock Therapy etwa sollte man den Kopf nicht zu weit aus dem Schlamm recken, sonst gibt es einen heftigen Stromschlag. Allerdings hat jedes Hindernis zwei Optionen, eine leichtere und eine schwerere. Auch den Lauf selbst gibt es noch in einer abgeschwächten Variante mit lediglich fünf Kilometern Länge.

Obwohl Linda Tschoder schon länger mit einer Teilnahmegeliebäugelt hatte und ihre Schwester bereits zwei Tough-Mudder-Erlebnisse hinter sich hat, fiel der endgültige Entschluss kurzfristig: Die Freundin einer Bekannten hatte in Hermannsburg abgesagt, und das 63 Euro teure Ticket war plötzlich frei.

Sie geht zweimal pro Woche joggen und trainiert regelmäßig an den Krafttrainingsgeräten

Spezialisiertes Training kam für die 1,68 Meter große und 59 Kilogramm schwere Athletin somit nicht mehr infrage. Allerdings ist sie allein schon berufsbedingt in Topform: „Ich mache jeden Tag Sport.“ Im Fitness-Club Fellbach gibt sie unter anderem Kurse mit dem Schwerpunkt Kraftausdauer. Sie geht zweimal pro Woche joggen und trainiert regelmäßig an den Krafttrainingsgeräten ihres Arbeitsplatzes die Muskeln. Zudem startet die ehemalige Leistungsturnerin und Handballerin noch in einem Tennis-Frauenteam des KV Untertürkheim und gibt als Inhaberin der C-Trainer-Lizenz auch Tennisunterricht.

„Mir ist nichts passiert, und ich habe mich auch kaum verletzt“, sagt Linda Tschoder über ihre Tough-Mudder-Premiere. Einige Abschürfungen und Blutergüsse an den Beinen zählen für sie nicht wirklich. Zehn andere Teilnehmer hatten jedoch weniger Glück: Sie mussten nach der Erstversorgung vor Ort ins Krankenhaus gebracht werden. „Dabei handelte es sich meistens um Knochenbrüche“, sagt Laura Piehl. Am verletzungsträchtigsten waren bemerkenswerterweise weniger die Hindernisse an sich, sondern die dazwischen liegenden Laufpassagen.

In Wassertrüdingen findet Mitte September der einzige süddeutsche Tough Mudder statt

Praktischerweise haben die Veranstalter nach schlammigen Passagen Stationen eingebaut, bei denen ein Sprung in klares Wasser gefordert war. Dadurch verkürzt sich die Duschzeit nach dem Zieleinlauf erheblich. Dennoch musste sich Linda Tschoder hinterher gleich viermal die langen Haare waschen, um die letzten Schlammspuren zu beseitigen.

Das anstrengende Gemeinschaftserlebnis in der Natur soll für die Untertürkheimerin kein einmaliger Auftritt bleiben. In Wassertrüdingen findet Mitte September der einzige süddeutsche Tough Mudder statt, und sogar eine Steigerung kann sich Linda Tschoder vorstellen: Beim Iron Viking, der mit seinen 42 Kilometern und 100 Hindernissen als einer der härtesten Marathon-Läufe der Welt gilt.