Skeletonpilot Akwasi Frimpong aus Ghana. Foto: dpa

Ein Langläufer aus Ecuador und ein Frauen-Bob aus Afrika: auch bei den diesjährigen Winterspielen nehmen wieder Athleten teil, in deren Heimatländern man sehr lange auf Schnee warten muss. Ein Überblick.

Stuttgart/Pyeongchang - Osttimor, Ghana, Jamaika. Bei den Spielen in Pyeongchang sind wieder einige Länder am Start, die alles sind, nur keine klassischen Wintersportnationen.

Ghana: Hase und Löwe

Akwasi Frimpong hat so ziemlich alles getan, um bei Olympia dabei zu sein. In seiner Jugend war er als Sprinter erfolgreich, wollte sich bereits 2012 für die Olympischen Spiele in London qualifizieren. Seine Zeiten reichten aber nicht für das niederländische Team. Im Folgejahr probierte es Frimpong als Bremser im Bob-Team, schaffte es in die olympische Vorauswahl, nicht aber in das finale niederländisch Aufgebot. Damit war die Teilnahme an den Winterspielen 2014 dahin.

Kein Grund aufzugeben. 2016 sattelte er auf Skeleton um und rast seitdem für das Land, in dem er geboren wurde, durch den Eiskanal: Frimpong wuchs in Kumasi in Ghana auf, mit neun Jahren ging es in die Niederlande. Seine Olympia-Teilnahme finanzierte er zuletzt als Staubsauger-Vertreter. Nur zwei Jahre nach dem Disziplinwechsel qualifizierte er sich für die Winterspiele in Pyeongchang.

„Ich bin der Hase, der vor den Löwen seiner Vergangenheit flieht, um zu überleben“, sagte er mit Blick auf seine Vergangenheit. Er habe Schlimmeres erlebt, als sich mit dem Kinn nur Zentimeter über dem Eis bei 120 km/h eine furchterregende Bobbahn hinunterzustürzen. Wohl auch deshalb ziert ein Hase, der vor einem Löwen flieht, seinen Skeleton-Helm.

Ecuador: Ex-Gewichtheber

Klaus Jungbluth Rodriguez bringt Ecuador auf die Landkarte des Wintersports. Der 38-Jährige will sein Heimatland als Langläufer zum Erfolg bringen. Bei der Eröffnungsfeier in Pyeongchang trug er die Fahne der südamerikanischen Republik. Das habe sich angefühlt, als habe er das ganze Land in den Händen gehalten, sagte er danach.

Klaus Jungbluth Rodriguez ist der erste Teilnehmer aus Ecuador bei Winterspielen und hat seine sportliche Karriere in einem ganz anderen Metier gestartet. Bis zu einer Knieverletzung trainierte er als Gewichtheber. Als Student in Norwegen entdeckte er dann Ski-Langlauf für sich. Um an den Olympischen Spielen teilzunehmen, musste er sich in seinem schneearmen Heimatland erst einmal für die Gründung eines Wintersportverbands einsetzen – und dann den Umstieg von Rollerski auf echten Schnee bewältigen. Denn zu Hause trainiert er nur auf Rollen „Das war ziemlich hart. Auf Schnee ist vieles anders“, sagte der vierfache Vater.

Dass er als Ecuadorianer als Außenseiter an den Start geht, weiß er. Sein Ziel sei es nicht, eine Medaille zu gewinnen, sondern andere Athleten aus Lateinamerika zu schlagen. „Mein größtes Ziel habe ich schon erreicht: einen Startplatz bei den Olympischen Spielen zu bekommen.“

Jamaika: Rosenkrieg

Es hätte so schön sein können: Genau 30 Jahre nach der Teilnahme des jamaikanischen Männer-Bobs an den Winterspielen haben auch die Bob-Frauen von der Karibikinsel den Sprung zu Olympia geschafft. Doch nun gibt es Stress im jamaikanischen Lager.

Im Mittelpunkt: die deutsche Trainerin Sandra Kiriasis, die 2006 selbst Gold im Bob holte. Jetzt aber ist die gute Laune wohl erst einmal verflogen. Kiriasis hat das Team kurz vor dem ersten Rennen verlassen, es soll heftige Differenzen im Trainerteam gegeben haben. Kiriasis sei mitgeteilt worden, dass sie das Olympische Dorf verlassen und nur noch als Bahntrainerin arbeiten dürfe, schreibt sie auf Facebook. Kontakt zum Team dürfe sie keinen mehr haben – Gründe dafür habe sie keine genannt bekommen. Der jamaikanische Verband hingegen beteuert, Kiriasis sei freiwillig gegangen.

Nach Medieninformationen soll es Differenzen um Geldforderungen für das Material der Jamaikaner geben, außerdem soll in der Britin Nicola Minichiello bereits eine neue Trainerin in den Startlöchern stehen. Die Sportlerinnen hoffen wohl auf „Cool Runnings reloaded“ und eine gute Platzierung. Bei den Trainerturbulenzen bleibt zu hoffen, dass sie keine Startschwierigkeiten davon tragen.

Osttimor: Skifahrer aus den Tropen

Schon mal von Osttimor gehört? Auch die eher unbekannte Nation aus Südostasien ist keine klassische Wintersportnation – und schickt einen Athleten ins Rennen. Im Vergleich zu den europäischen Nationen war es nicht weit nach Südkorea: der tropische Inselstaat liegt zwischen Indonesien und Australien.

Für Osttimor geht Yohan Goutt Goncalves auf Alpinskiern an den Start. Für den 23-Jährigen ist es kein Olympia-Debüt. Bereist 2014 in Sotschi war er olympisch unterwegs – er kennt die Exotenrolle also schon von vor vier Jahren. Damals war er der erste Sportler, der für Osttimor an Winterspielen teilnahm. Geboren in Frankreich und seit seiner jüngsten Kindheit auf Skiern unterwegs, möchte er das Heimatland seiner Mutter in der Welt bekannt machen: „Ich wollte zu Olympia, und ich wusste, es sollte für Osttimor sein, weil es wichtig ist zu zeigen, dass es dieses Land gibt“, sagte er über seine Olympia-Teilnahme. Seine Mutter floh als junges Mädchen vor dem Krieg aus ihrer Heimat Osttimor. Der Heimat seiner Mutter fühlt sich Yohan Goutt Goncalves auch über das Sportliche hinaus verbunden.

Nach der Teilnahme an der Ski-WM 2015 nahm er sich eine Auszeit von anderthalb Jahren, um bei humanitären Projekten in Osttimor zu helfen. Dort wisse zwar kaum jemand, was Skifahren ist, die Menschen seien aber stolz, dass er ihr Fahnenträger sei, sagte er.

Nigeria: Der erste afrikanische Bob

Premiere in Pyeongchang: zum ersten Mal geht ein Team aus dem schnee-freien Afrika an den Bob-Start. Das nigerianische Frauenteam um Pilotin Seun Adigun hat sich den olympischen Traum verwirklicht: einmal bei den Winterspielen mitmachen.

Seun Adigun ist Wiederholungstäterin. Für die Vereinigten Staaten, in denen sie aufgewachsen ist, nahm sie bereits 2012 als 100-Meter-Hürdenläuferin an den Sommerspielen in London teil. Es ist eine schier unglaubliche Geschichte: 2016 aus einer Schnapsidee entstanden, gab es 2017 das Ticket für Olympia. Adigun schloss sich erst der amerikanischen Bob-Mannschaft an – bis ihr die Idee kam, ein Team für das Land zu gründen, in dem ihre Wurzeln liegen.

Zuerst trainierten sie mit einem selbst zusammengezimmerten Bob aus Holz. Über Spenden finanzierten sie die Gründung eines nigerianischen Bob-Verbands. Dann die Sensation im November: sie qualifizierten sich für Südkorea und sicherten die erste nigerianische Teilnahme überhaupt an Winterspielen. Es erinnert an den Film „Cool Runnings“, der auf den Ereignissen rund um das Bob-Männerteam aus Jamaika beruht. Bei den Spielen 1988 in Calgary nahmen die Jamaikaner als Außenseiter teil und sorgten so für großes Aufsehen.