Ferdinand Piëch verkauft seine Anteile an der Porsche SE. Foto: dpa

Lange war Ferdinand Piëch der mächtigste Mann im Volkswagen-Konzern. Doch der verlorene Machtkampf mit Ex-Chef Martin Winterkorn ließ seinen Stern sinken. Nun bricht der Ex-Patriarch die letzte Brücke zu seinem Lebenswerk ab.

Stuttgart - Ferdinand Piëch war immer ein Siegertyp, und so sah er sich auch selbst. „Wenn ich etwas erreichen will, gehe ich auf ein Problem zu und ziehe es durch, ohne zu merken, was um mich herum stattfindet“, schrieb er vor 15 Jahren in seinem Buch „Auto. Biographie“. „In den folgenden sechs oder sieben Stunden verdichtet sich das Szenario immer weiter bis zur quasi inneren Unvermeidlichkeit des Erfolgs.“ Manager, die das Pech hatten, Piëch im Morgengrauen in den Sinn zu kommen, waren bereits zur Mittagszeit beruflich erledigt, sie wussten es nur noch nicht. Danach reichten meist wenige Worte des VW-Patriarchen aus, um selbst höchst erfolgreiche Top-Führungskräfte in kürzester Zeit zu erledigen. „Da herrscht Stillstand“, lautete etwa das Urteil, mit dem er dafür sorgte, dass die Tage des einst hoch erfolgreichen Audi-Chefs Franz-Josef Paefgen gezählt waren.

Nun hat es Piëch selbst erwischt. Mit dem Verkauf eines Großteils seiner Anteile an der Holding-Gesellschaft Porsche SE räumt er die letzte wichtige Position beim Volkswagen-Konzern, die ihm noch verblieben ist. Denn die Porsche SE, an der seine Stiftung knapp 15 Prozent hält, besitzt ihrerseits 52,2 Prozent der Stimmrechte an Volkswagen. Dies sicherte ihm noch Einfluss auf die Geschicke des Wolfsburger Autogiganten. Nun wird er auch dieses Stückchen Macht abgeben. Allerdings soll Piëch Ende Mai von der Hauptversammlung erneut in den Aufsichtsrat gewählt werden – bis das Geschäft tatsächlich vollzogen ist, was schon wegen der erforderlichen kartellrechtlichen Verfahren eine gewisse Zeit dauern wird.

Jahrzehntelang hat der kühle Stratege alle Krisen und Skandale, die der Konzern so durchlitten hat, unbeschadet überstanden. Die Affäre um Vergnügungsreisen von Betriebsräten, die dem damaligen Betriebsratschef eine Haft- und dem damaligen Personalchef eine Bewährungsstrafe einbrachte, konnte ihm ebenso wenig anhaben wie die jahrelange Übernahmeschlacht um Porsche und Volkswagen, die Piëch sogar einen willkommenen Anlass lieferte, den allzu selbstbewusst gewordenen Vorstandschef Wendelin Wiedeking abzuservieren.

Auf familiäre Bande nahm er nur wenig Rücksicht

Auf familiäre Bande nimmt Piëch bei seinem Vorgehen wenig Rücksicht. Das Aus von Wiedeking ging Piëchs Cousin Wolfgang Porsche so nahe, dass diesem bei Wiedekings Verabschiedung die Stimme versagte. „Man kann sich seine Verwandten nicht aussuchen“, sagte Porsche vor wenigen Wochen.

Doch bei seinem Versuch, nach etlichen anderen Managern auch den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn zu stürzen, hat ihn sein Machtinstinkt im Stich gelassen. Einmal mehr hatte Piëch auf die Kraft seiner apodiktischen Sätze gebaut und erklärt, er sei „auf Distanz zu Winterkorn“. Diesmal allerdings unterschätzte er die Gegenkräfte und den Rückhalt, den Winterkorn damals noch bei den anderen Familien-Anteilseignern, bei den Arbeitnehmern und beim Land Niedersachsen hatte. Den geballten Widerstand dieser dominierenden Kräfte in dem Staats-, Gewerkschafts- und Familienkonzern konnte selbst Piëch nicht mehr brechen – vor ziemlich genau zwei Jahren musste er als Aufsichtsratschef des VW-Konzerns abtreten. Der nun verkündete Rückzug bei der Porsche SE, dem Mehrheitsaktionär von Volkswagen, ist da die logische Folge.

Dass Winterkorn am Ende selbst zurücktreten musste, half Piëch nicht mehr – als ruchbar wurde, dass der Konzern bei Millionen von Dieselfahrzeugen die Abgasregulierung manipuliert hatte, war Piëch bereits ein halbes Jahr nicht mehr Aufsichtsratschef von Volkswagen. Dennoch vertiefte dieser Skandal den Graben zwischen Piëch und denjenigen, die einst auf ihn gehört haben, noch mehr. Denn gegenüber der Staatsanwaltschaft behauptete er, vier Aufsichtsräte – darunter auch Wolfgang Porsche – bereits lange vor Bekanntwerden des Diesel-Skandals über die Vorwürfe informiert zu haben. Wie blind die Wut sein muss, die ihn dabei treibt, lässt sich auch daran erkennen, dass er sich mit diesen Vorwürfen auch selbst in ein schlechtes Licht rückt. Schließlich behauptet er damit, auch selbst viel früher als die Öffentlichkeit Bescheid gewusst zu haben. Doch hätte er dann nicht handeln müssen? Für ihn spricht womöglich, dass die Aussage bisher als wenig glaubwürdig gilt. Die Anwaltskanzlei Jones Day, die den Skandal aufarbeiten soll, hält Piëchs Angaben offenbar nicht für stichhaltig.

Er hatte alle Macht bei Volkswagen – aber am Ende überschätzte er sich

Zwei Wochen vor seinem 80. Geburtstag bricht Piëch nun gleich mehrere Brücken ab – nicht nur die zu seinem Lebenswerk Volkswagen-Konzern, den er einst aus einer bedrohlichen Schieflage gerettet und letztlich zu einem Weltkonzern entwickelt hat. Auch die Brücke zum Porsche-Clan ist nun wohl abgerissen, auch wenn das Verhältnis schon zuvor zerrüttet war.

Bisher liefen sich Piëch und Wolfgang Porsche zwangsläufig über den Weg, wenn bei der Porsche SE wieder einmal Aufsichtsratssitzung war. Scheidet Piëch dort aus, können die zerstrittenen Akteure endgültig eigene Wege gehen. Es sei denn, Piëch beschließt, nach vollendeter Transaktion doch noch ein wenig im Aufsichtsrat zu verweilen. Mit Überraschungen ist bei ihm ja stets zu rechnen.